Die Dokumentation „Beyond the Bolex“ von Alyssa Bolsey ist mehr als eine technische Chronik und Dokumentation über die Schweizer Filmkameramarke „Bolex-Paillard“. Dabei handelt es sich um hochwertige Kameras aus poliertem Metall, Glas und Leder. Regisseurin und Filmemacherin Alyssa Bolsey nimmt uns mit auf eine sehr persönliche Reise, die die vergessene Geschichte ihres Urgroßvaters Jacques Bolsey erforscht – einem Erfinder, dessen zentrale Rolle in der Filmgeschichte nicht jeder kennt, der aber am Beginn und Erfolg von Bolex-Paillard und weiteren Entwicklungen, von der Bolsey bis hin zur Alpa, steht. Was als Sichtung und Entdeckung alter Filmrollen, Fotos, Briefe und technischer Zeichnungen im Nachlass ihres Urgroßvaters beginnt, entwickelt sich für Alyssa zu einer tiefen emotionalen Reise durch ihre eigene, weitgehend unbekannte und unerzählte Familiengeschichte sowie durch die gemeinsame Leidenschaft und Liebe ihres Urgroßvaters für das Medium Film und Technik. Alyssa Bolsey gelingt es in ihrer dokumentarischen Reise, eine Brücke zwischen den Generationen zu schlagen. Das Cover der DVD zeigt Jacques mit einer Bolex H16 (non Reflex), wobei im Schatten seine Urenkelin Alyssa mit einer frühen Bolex steht. Durch die Wiederentdeckung von Jacques’ Tagebuch mit seinen persönlichen Aufzeichnungen erfährt Alyssa von den Herausforderungen, denen sich der Erfinder im Europa der Vorkriegszeit stellen musste.
Jacques Bolsey, geboren 1895 in Kiew als Yakov Bogopolsky, wuchs in einer künstlerisch, medizinisch und intellektuell geprägten Familie mit jüdischen Wurzeln auf. Doch die politischen und sozialen Umstände seiner Zeit zwangen den jungen Mann, seine Heimat zu verlassen und seine Möglichkeiten im schweizerischen Genf zu suchen. Dort begann der Mann, der sich später Jacques Bolsey nannte, ein Studium in Medizin und Bildender Kunst. Bereits hier zeigte sich sein künstlerisches und technisches Interesse sowie sein Geschick. Er porträtierte nicht nur seine Lehrenden und betätigte sich bildhauerisch, sondern entwickelte für einen Professor eine Filmkamera, um medizinische Eingriffe festzuhalten. Der angehende Künstler und Mediziner wurde immer mehr zum Erfinder und gründete 1924 mit einem Partner die „Cinégraphe Bol“, und registrierte „Bolec“ und „Bolex“ als Markennamen. Der „Cinégraph Bol“ war ein 35mm-Cinefilm-Multifunktionsgerät, das als Filmkamera, Fotokamera, Projektor und Vergrößerer genutzt werden konnte. Mit dem Börsencrash benötigte Jacques jedoch nicht nur neues Kapital, sondern vor allem auch einen Partner mit Know-how und Produktionskapazitäten, um international zu expandieren. Das feinmechanische Familienunternehmen Paillard, das sich auf Spieluhren, Musikboxen, Grammophone und Schreibmaschinen spezialisiert hatte, kaufte die Rechte an „Bolex“ und führte die kleine Firma in den kommenden Jahrzehnten zu einem weltweit agierenden Unternehmen mit bis zu 8000 Mitarbeitern. Bolex-Paillard wuchs in den folgenden Jahren zum größten industriellen Unternehmen in der französischsprachigen Schweiz heran. Nach einer Krise und der Übernahme durch Eumig wandelte sich das einstige Großunternehmen nach dessen Konkurs unter Marc Ueter und dem pensionierten Kameratechniker Otto Diotallevi zu einer kleinen Kameramanufaktur in Yverdon mit einem unermesslichen Schatz an Aufzeichnungen und Ersatzteilen, allerdings mit sehr begrenzten Kapazitäten. Während Alyssa durch den Nachlass, das Tagebuch und ihre Recherche in der Schweiz tief in das Leben ihres Urgroßvaters eintaucht, zeichnet sich eine komplexe und bewegende Geschichte ab. Jacques wirkte nach dem Verkauf mit einem mehrjährigen Vertrag als technischer Berater in der Forschungsabteilung von Bolex-Paillard weiter mit, während gleichzeitig die Vorbehalte und wohl auch Anfeindungen gegenüber ihm wuchsen. Jacques musste nicht nur mit den technischen Herausforderungen kämpfen, sondern auch mit den politischen und sozialen Hürden seiner Zeit. Nach der russischen Revolution von 1917 wurde Jacques staatenlos. Seine Versuche, die Schweizer Staatsbürgerschaft zu erlangen, wurden immer wieder abgelehnt.
Nach einem Besuch bei Kodak in Rochester, USA, erkannte Jacques, dass die Zukunft des Amateurfilms nicht mehr im 35mm-Cinefilm, sondern im neuen, kleineren 16mm-Filmformat lag. Diese Erkenntnis führte zur Entwicklung der Bolex H16, einer handlichen 16mm-Kamera, die durch ihre einfache Bedienbarkeit, Zuverlässigkeit und Robustheit hervorstach. Künstler wie Andy Warhol und Filmemacher wie Steven Spielberg nutzten die „Bolex“, um ihre Visionen zu verwirklichen. Dabei wird deutlich, dass die „Bolex“ für viele mehr als nur ein technisches Gerät war – sie wurde zu einem treuen Begleiter und Ausdrucksmittel für künstlerische Freiheit und Individualität. Trotz eines Anschlussangebots von Paillard beschloss der staatenlose Jacques, in einer Welt des zunehmenden Antisemitismus und der politischen Unsicherheit in Europa in die USA zu emigrieren. Dafür zahlte er einen hohen Preis, denn er musste nicht nur seine Söhne, die bei seiner ersten Frau lebten, zurücklassen, sondern auch die Frau, die er liebte. In den USA gründete Jacques mehrere Unternehmen. Der Migrant ohne Englischkenntnisse entwickelte bereits nach wenigen Jahren fotografische militärische Ausrüstungen für die U.S. Air Force und schuf im Nachkriegs-Konsumrausch die Bolsey 35mm-Fotokameras und die kleine Bolsey 8. Die Trennung und der Verlust seiner Familienmitglieder in seiner alten Heimat hinterließen tiefe Spuren in seinem Leben.
„Beyond the Bolex“ ist nicht nur eine technische Dokumentation über die Entwicklung einer ikonischen Kameramarke, sondern auch eine Geschichte über Familie, Migration, Kunst, das Streben nach Freiheit und die Suche nach Heimat.
Vielen Dank, Alyssa, für die signierte DVD deiner wundervollen Dokumentation.
Gruß aus Süddeutschland,
Rainer
The documentary “Beyond the Bolex” by Alyssa Bolsey is more than just a technical chronicle and documentation of the Swiss camera brand “Bolex-Paillard.” These cameras are crafted from polished metal, glass, and leather, representing high-quality craftsmanship. Director and filmmaker Alyssa Bolsey takes us on a deeply personal journey as she explores the forgotten story of her great-grandfather, Jacques Bolsey – an inventor whose central role in film history is not widely known, but who was integral to the success of Bolex-Paillard and other developments from Bolsey to Alpa. What begins as an examination of old film reels, photos, letters, and technical drawings from her great-grandfather’s estate turns into an emotional journey through her own largely untold family history and the shared passion and love her great-grandfather had for film and technology. Alyssa Bolsey masterfully bridges the gap between generations through her documentary journey. The DVD cover shows Jacques with a Bolex H16 (non-Reflex), with Alyssa standing in his shadow, holding an early Bolex. Through the rediscovery of Jacques’ diary and his personal notes, Alyssa learns about the challenges her great-grandfather faced in pre-war Europe.
Jacques Bolsey, born Yakov Bogopolsky in Kyiv in 1895, grew up in a family rich in artistic, medical, and intellectual tradition, with Jewish roots. However, the political and social circumstances of the time forced the young man to leave his homeland and seek opportunities in Geneva, Switzerland. It was there that he, later known as Jacques Bolsey, began studying medicine and fine arts. His artistic and technical talents became evident early on. Not only did he create portraits of his teachers and engage in sculpture, but he also developed a camera for one of his professors to capture medical procedures. The budding artist and physician gradually evolved into an inventor, and in 1924, together with a partner, he founded „Cinégraphe Bol,“ registering “Bolec” and “Bolex” as trademarks. The „Cinégraph Bol“ was a multifunctional 35mm cine film device, serving as a film camera, still camera, projector, and enlarger all in one. However, after the stock market crash, Jacques not only needed new capital but also a partner with manufacturing expertise and production capacity to expand internationally. Paillard, a family-run company specializing in music boxes, phonographs, and typewriters, purchased the rights to “Bolex” and, over the following decades, turned the small firm into a globally operating company with up to 8,000 employees. In the coming years, Bolex-Paillard grew to become the largest industrial company in the French-speaking part of Switzerland. Following a crisis and Eumig’s takeover, the once large company transformed under Marc Ueter and retired camera technician Otto Diotallevi into a small camera manufacturer in Yverdon, with an invaluable archive of records and spare parts, but very limited production capacity.
As Alyssa delves deeper into her great-grandfather’s life through his estate, diary, and her research in Switzerland, a complex and moving story unfolds. Even after selling the company, Jacques continued to work as a technical advisor in the research department at Bolex-Paillard under a multi-year contract, but growing tensions and possibly hostilities toward him increased. Jacques faced not only technical challenges but also the political and social hurdles of his time. After the Russian Revolution of 1917, Jacques became stateless. His attempts to obtain Swiss citizenship, as a Jewish inventor, were repeatedly denied. After a visit to Kodak in Rochester, USA, Jacques realized that the future of amateur filmmaking no longer lay in 35mm cine film but in the new, smaller 16mm film format. This insight led to the development of the Bolex H16, a compact 16mm camera known for its ease of use, reliability, and durability. Artists like Andy Warhol and filmmakers such as Steven Spielberg used the “Bolex” to realize their visions. It became clear that the “Bolex” was much more than a mere technical device for many—it was a faithful companion and a tool for expressing artistic freedom and individuality.
Despite an offer from Paillard to extend his contract, Jacques, who remained stateless amidst growing anti-Semitism and political instability in Europe, decided to emigrate to the United States. This decision came at a high personal cost, as he had to leave not only his sons, who lived with his first wife, but also the woman he truly loved. In the United States, Jacques founded several companies. The immigrant, who initially spoke no English, developed photographic military equipment for the U.S. Air Force within just a few years, and in the post-war consumer boom, he created Bolsey 35mm cameras and the small Bolsey 8. The separation from and loss of his family members in his homeland left deep scars on his life.
“Beyond the Bolex” is not just a technical documentary about the development of an iconic camera brand but also a story of family, migration, art, the pursuit of freedom, and the search for a sense of home.
Thank you, Alyssa, for the signed DVD of your wonderful documentary.
Greetings from Southern Germany Rainer