Bei der Lubitel 2, der Lubitel (1), wie auch der Komsomolets, handelt es sich um einen teils exakten Nachbau der Mittelformatkamera 6×6 Voigtländer Brillant aus Bakelit – aber eben „Made in USSR“. Viele Bauteile sind mit der Brillant nahezu identisch, hier und dort mit Verbesserungen, aber auch mit wesentlichen Vereinfachungen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde neben Wissen auch Maschinen, Vorrichtungen oder gar ganze Fabriken exportiert. So startete die Produktion der sowjetischen Komsomolets bereits im Jahre 1946. In den Produktionsjahren von 1955 bis 1980 wurden allein vom Modell Lubitel 2 etwa 2 Millionen Exemplare hergestellt. Dabei gab es bei allen Modellreihen nicht „das Modell“, sondern vielmehr unterschiedliche Versionen mit vielen weiteren Änderungen im Detail. Beim Vorgängermodell, der Komsomolets, unterscheiden Sammler insgesamt etwa 18 unterschiedliche Versionen. Hersteller der Kameras war zunächst GOMZ (Gosudarstvennyi Optiko-Mekhanicheskii Zavod) dann LOOMP und ab 1965 LOMO (Leningrad Optical Mechanical Union). Nach mehreren weiteren Modellreihen erschien 2008 mit der Lubitel 166+ Universal eine kleine Neuauflage mit Formatmasken für 6×45 und der Verwendung von Kleinformat.
Lubitel oder auch Любитель bedeutet aus dem russischen übersetzt etwas zwischen „Amateur, Freund und Liebhaber“. Nach dem Exportnamen der Komsomolets, der „Amatör“ war wohl Amateur gemeint, was die Kamera bereits einer gewissen Sparte zuordnet. Die Kameras begegnen mit Typenschildern in lateinischer sowohl kyrillischer Schrift. Daneben existieren auch noch die Exportmodelle mit weiteren Typenbezeichnungen wie beispielsweise der Global 676 oder Kalimar TLR 100. Erst mit der Lubitel 166 ändert sich das Aussehen der Reihe.
Die gezeigten Versionen der Lubitel (1) GOMZ und Lubitel 2 LOMO unterscheiden sich in Details. So besitzt beispielsweise die GOMZ ein Logo auf der Rahmensucherklappe. Die Lubitel (1) verfügt hier über den Zentralverschluss ZT-5, die Lubitel 2 über den ZT-8. Kürzeste Verschlusszeit beträgt dabei 1/200 beziehungsweise 1/250. Bei der LOMO ist das Logo im Aufnahmeobjektiv T-22 eingraviert. Der Fokusring ist bei LOMO schwarz, bei der GOMZ silbern gehalten. Die Lubitel 2 verfügt über einen Blitzanschluss und einen Selbstauslöser, die Lubitel (1) hingegen noch nicht. Es existieren weitere wichtigere und unwichtigere Details, welche aber helfen können, ein Exemplar entsprechend einzuordnen oder auch eine entsprechende Anschaffungsentscheidung leichter zu machen.
Die Kamera besteht im wesentlichen aus den Materialien Bakelit, Metall und Glas. Elektronische Komponenten findet man bei dieser rein mechanischen Kamera mit Zentralverschluss vergeblich. Wie die späteren Voigtländer Brillantmodelle auch, sind die Lubitels aus Bakelit gefertigt und die genarbte Lederoptik nur nachempfunden. Heute etwas ungewohnt und antiquiert war Bakelit ein moderner universeller Werkstoff nach dem aktuellen Stand der Technik. Ein Gehäuse aus Bakelit war demnach eher modern im Gegensatz zu Metall. Im Laufe der Modellreihe wurde mit der Lubitel 166 auf den Werkstoff Kunststoff umgestellt.
Das Sucherbild erscheint im Gegensatz zu den Mattscheiben von höherwertigen TLRs auf den ersten Blick erstaunlich hell, brillant und scharf bis in die Ecken. Im aufklappbaren Lichtschacht befindet sich allerdings keine richtige Mattscheibe. Vielmehr handelt es sich um einen großen Brillantsucher. Daher auch der Modellname „Brillant“ der Voigtländer Kamera. Auch ist das Sucherbild nicht wirklich rechteckig, sondern von einem falschen Betrachtungspunkt eben rund. Man blickt damit nicht durch eine Glasplatte, sondern über eine Feldlinse auf den Spiegel und wiederum durch das Sucherobjektiv, welches lichtstärker als das eigentliche Aufnahmeobjektiv ist. Die 4 Keile dienen einerseits der Aufnahme und Befestigung der Feldlinse, dienen aber wie der Bedienungsanleitung der Brillant zu entnehmen ist, aber auch der Entfernungseinschätzung, welche im Anschluss noch separat beschrieben werden soll.
Das Sucherbild ist damit aber auch immer scharf, was eine Kopplung von beiden Objektiven als Zonenfokuskamera zunächst gar nicht notwendig machte. Im Brillantsucher der Lubitel 2 befindet sich allerdings ein kleiner Mattpunkt, auf welchen mit oder ohne Lupe fokussiert werden kann und dies machte eine Kopplung beider Objektive notwendig. Trotz der runden Form handelt es sich nicht um einen Mikroprismenring oder Schnittbildindikator.
Während die Komsomolets ebenso wie die Brillant noch ungekuppelt war, gab es später auch eine gekuppelte Brillant, allerdings Jahre vor der Lubitel (1) und Lubitel 2. Dabei handelt es sich um die Voigtländer Brillant S ebenso aus Bakelit.
Die im Sucherschacht integrierte Lupe der Lubitel 2 ist sehr filigran und gefühlt zerbrechlich ausgeführt. Im Gegensatz zu anderen TLRs lässt sich diese nicht durch einen Federmechanismen ein- und ausschwenken.
Für eine schnelle Bildgestaltung auf Augenhöhe kann der Sportsucher dienen. Dieser besteht wie bei anderen TLRs auch aus einer herunterklappbaren Rahmensucherklappe und einem Einblickfenster für den Rahmensucher. Der Blick durch das kleine Sichtfenster lässt den Bildausschnitt einigermaßen erahnen.
Bei der Voigtländer Brillant 1-3 wurden unterschiedliche Zentralverschlüsse mit kürzesten Verschlusszeiten von 1/75 bis 1/500 angeboten und verbaut. Der Zentralverschluss der Lubitel (1) ist der ZT-5 mit Verschlusszeiten von Bulb, 1/15, 1/30, 1/60, 1/125 und 1/200 und dem ZT-8 für die Lubitel 2 mit bis zu 1/250. Zentralverschlüsse überstehen unbeschadet Jahrzehnte, verharzen aber bei Nichtgebrauch gerne, was meist bei den längeren Verschlusszeiten auffällt. Dies kann aber repariert und wieder gängig gemacht werden. Während Compurverschlüsse nach über hundert Jahren noch funktionieren, bin ich mir da bei meiner digitalen SLR nicht ganz so sicher. Spannhebel, Auslöser, Hebel für Blende, Verschlusszeit und Selbstauslöser sind auffallend filigran ausgeführt. Während bei der Brillant gängige Verschlüsse verbaut wurden, handelt es sich beim Verschluss der Lubitel wohl um ein echtes Sowjetprodukt. Beide erworbenen Modelle im Fund- oder Sammelzustand und sicherlich Jahrzehnte nicht benutzt, funktionierten ohne jegliche Revision genau und nach Gehör nachvollziehbar.
Waren bei der Voigtländer Brillant unterschiedliche Objektive, vom dreilinsigen Voigtar, vierlinsigen Skopar bis hin zum fünflinsigen Heliar möglich, sind die Komsomolets in der Regel mit einem einfach vergütetem T-21, die Lubitel´s mit dem T-22 ausgestattet. Das T steht dabei für Triplet. Dabei handelt es sich um einen einfachsten Anastigmat, einem Cooke-Triplets, mit seinen entsprechenden Stärken, Schwächen und Charakter. Die Naheinstellgrenze vom T-22 liegt bei etwa 1 Meter und wurde bei der Neuauflage Lubitel 166+ Universal auf 0,8 Meter verkürzt.
Die Lubitel (1) und Lubitel 2 verfügen im Gegensatz zur Brillant über keinen Bildzähler, welcher mit dem Transportmechanismus gekoppelt ist. Während sehr frühe Komsomolets neben dem Sichtfenster über einen Bildzähler verfügten, wurde dieses Konzept der Voigtländer Brillant dann aufgegeben. Die Kameras verfügen seitdem noch lediglich über Sichtfenster auf der Gehäuserückseite, welches sich über einen Drehknopf verschließen lässt. Dadurch lassen sich die Zahlen und Marker des Papierträgers entsprechend erkennen und der Film richtig weitertransportieren. Erst die 166B+ verfügt über zwei Sichtfenster für das Format 6×6 und 6×45.
Wie auch die Voigtländer Brillant aus Bakelit verfügen die Lubitel´s über eine Filterschublade zur Aufnahme von Vorlinsen oder Gelbfilter. Diese ist mit der Voigtländer Brillant nahezu identisch, wobei sich bei der Brillant auch noch ein Modell mit durchgehender Filterschublade finden lässt und sich diese einfacher aufklappen lässt. Auch lässt sich hier in der Regel ein kleiner Drahtauslöser unterbringen.
Die Ösen der Kamera sind wie die Kamera aus Bakelit und damit „aus einem Guss“ mit dem Kameragehäuse. Bakelit ist ein sehr widerstandsfähiger, aber eben auch spröder Werkstoff. Die Kameratasche bietet keine weiteren Ösen.
Die Rückwand wird lediglich mit zwei einrastenden Schnappern aus Metall verschlossen. Dieser Verschluss ist identisch mit der Voigtländer Brillant, wobei sich bei dieser auch noch weitere Verschlüsse sowohl bei Metall- wie Bakelitvariante finden lassen.
Bei beiden Kameras handelt es sich um ein Stück analoge sowjetische Kamerageschichte mit deutschen Wurzeln im Zeitraum vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Das dreilinsige T-22 überrascht abgeblendet durch seine Bildqualität und bei Offenblende mit Charakter. Bei einem Gebrauchtpreis von 15-40 Euro, obgleich häufig auch teurer angeboten, bietet die Lubitel´s einen sehr günstigen Einstieg in das 6×6 Mittelformat. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass die Neuauflage und Neuinterpretation des Klassikers, die Lubitel 166+ Universal, teils für etwa 250-350 Euro angeboten wird. Trotz der ehemals hohen Produktionszahlen der Kamera ist das Angebot endlich und begrenzt. Der Erhaltungszustand der Kameras ist sehr unterschiedlich und bewegt sich zwischen ungetestet, defekt oder einem äußerlich neuwertig Sammlerzustand. Die Kameras erscheinen mir teilweise ein Urlaubsmitbringsel gewesen zu sein, um dann meist ungenutzt die nächsten Jahre zu verschwinden.
Nachfolgend ein paar Testfotos mit der Lubitel 2.
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