Vest Pocket Kodak – Die Soldatenkamera

Die Welt im Jahr 1912. Im Atlantik versinkt die unsinkbare Titanic, die bemalte Büste von Nofretete wird in Ägypten entdeckt, Scott und Amundsen erreichen im gegenseitigem Wettlauf den Südpol. Kodak Eastman bringt in diesem Jahr seine „Vest Pocket“ auf den Markt.

Eine kleine Spreizenkamera für das 127er Kleinformat und nicht nur sprichwörtlich für die Westentasche gemacht. Denn die VPK wird als Teil der täglichen Garderobe beworben. Eine Kamera als Accessoire, welches man wie eine Uhr bei sich trägt. Richtigen Bekanntheitsgrad erlangte die Vest Pocket Kodak allerdings als Soldatenkamera. Dies wurde von der Firma Kodak auch so offiziell beworben. Die VPK wurde damit zur „The soldier´s Camera“ oder zur „Le Kodak de Soldat“. Obwohl sich nicht jeder einfache Soldat eine solche Soldaten-Kodak und das dazugehörige Filmmaterial leisten konnte, begleitete diese doch viele Soldaten im Ersten Weltkrieg.

Ein Besitz einer VPK war allerdings nicht so unproblematisch, da der Besitz einer Kamera verboten war. Aus Geheimhaltungs-, Propagandagründen, wie auch der Gefahr, dass Negative in feindliche Hände geraten, war es Soldaten unter Androhung von Strafe verboten, Aufnahmen zu machen. Die von Soldaten entstandenen Aufnahmen der damaligen Zeit dokumentieren damit verbotenerweise die Sichtwiese fernab der der offiziellen Medien oder der offiziellen Berichterstattern. Auch im Ersten Weltkrieg gab es die Macht der Bilder. Das fotografische Bild wurde aufgrund seiner subjektiven Wahrheit zum Mittel von Propaganda. So ging es auch schon damals um Zensur, Ikonisierung, Heroisierung und Herabwürdigung des Feindes. Damit sind bestimmte Aufnahmen der Zeit nur bedingt authentisch, denn diese entstanden manchmal nachträglich oder gar fernab der Front. Die beliebte Kamera wurde von 1912 bis 1926 produziert und millionenfach verkauft. Nicht umsonst, denn die Kamera war nicht nur verhältnismäßig klein, sondern zuverlässig und robust. Ab 1915 war die VPK „Autographic“ erhältlich, dazu auch der spezielle Film No. A-127. Damit konnten die Negative während der Filmaufnahme durch eine Klappe und einen Griffel „beschriftet“ werden.

Beliebtheit erlangte der kleine 127er Rollfilm in Zeiten der Wirtschaftskrise, da dieser wesentlich erschwinglicher als der größere 120er Rollfilm war. Heute eher schwer oder nur teuer zu bekommen, gibt es verschiedene Möglichkeiten 120er Rollfilm auf das kleinere 127er Format zu konfektionieren. Später setzte auch Kodak auf das neue „Kleinbild“, den 135er.

Neben den in der Regel schwarz lackierten Versionen gab es auch belederte Modelle und ab 1920 auch Ausführungen mit Schrumpflack. Man findet die VPK auch mit verschiedenen Verschlüssen und Objektiven. Der Grund ist, dass Kodak Eastman sein Kameragehäuse auch anderen Objektivherstellern zur Verfügung stellte. In seinem Buch über die VPK unterscheidet der Autor Jay H. Kay gar über 60 unterschiedliche Varianten. Die VPK war in ihrer Grundausstattung mit einem einfachen Meniscus oder entsprechend teurer mit einem Anastigmat ausgestattet. Eine Fokussierung war nicht möglich. Die Blendeneinstellung reichen von Blende 7,7 (moving Objekts), 11 ( average view Ort Portrait ), 16 (marine view), 22 (Cloud) bis 32 oder bei der einfachen Version als 1 (Near View Portrait), 2 (Average View), 3 (Distant View) und 4 (Clouds Marine). Die Verschlusszeiten bieten eine überschaubare Auswahl von Bulb, Time, 1/25 und 1/50. Die VPK ein Stück Geschichte, welche selber Geschichte dokumentiert hat.

Ein paar Blicke ins Innenleben um eine Pocket Vest Kodak zu restaurieren finden Sie unter der Rubrik „Tech“

Balgen und Belichtungszeiten werden noch kontrolliert und ein 120er Rollfilm auf das kleinere 127er Format umkonfektioniert. Erste Testfotos folgen daher in Kürze.

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