Die Pentacon Pentina: Ein Blick auf eine Kamera mit polarisierendem Design und technischen Herausforderungen. Schön oder kontrovers, revolutionär oder missverstanden – diese Kamera aus den 1960er Jahren scheint die Fotografie-Welt gespalten zu haben.
Schön oder nicht, technisch revolutionär oder weit gefehlt, bei der Pentacon Pentina scheiden sich durchaus die Geister. Wird die Kamera einfach nicht richtig verstanden? Ein Sammlerkollege meinte zur Pentina etwas irritiert und knapp: „Das Design der DDR war echt hart“ und „Du willst damit ernsthaft auf die Straße?“. Ich gebe zu „dezent“ ist sie nicht. Mehr Retro und auffälliger kann eine Kamera kaum sein. Vor allem, wenn es sich wie hier um die goldeloxierte Luxusvariante mit braunem Kunstleder in Flechtoptik handelt. Die normale Pentina, ebenso auffällig im Design, kommt in schlichtem Schwarz und Chrom gehalten fast schon dezent daher. Wenn sich der Bösewicht Auric Goldfinger im gleichnamigen James Bond Film eine Kamera gekauft hätte, es wäre sicherlich die goldeloxierte Pentacon Pentina gewesen. „Das ist Gold, Mr. Bond. Schon mein ganzes Leben lang habe ich seine Farbe geliebt, seinen Glanz, seine göttliche Schwere. Mir ist jedes Unternehmen willkommen, das meinen Vorrat vergrößert… der schon recht beträchtlich ist.“ In die Zeit hätte die Kamera gepasst, denn die Verfilmung stammt aus dem Jahre 1964.
Das Design ist zwar heute sehr eigenwillig, aber tatsächlich ein Stück Industriedesign der 60er Jahre. Der grundlegende Entwurf geht dabei auf eine Diplomarbeit von Jürgen Peters an der Hochschule für Bildende und Angewandte Kunst Berlin zurück. Die Zerklüftung der klassischen SLR sollte in Abgrenzung und zugunsten einer vereinfachten Formensprache aufgelöst werden. Peters selbst wurde später ein führender deutscher Designer, der an Entwürfen und Produkten in der DDR mitgewirkt hat. Die Kamera ist dabei in einem umlaufenden Metallrahmen untergebracht. Viele Bedienelemente befinden sich unauffällig auf der Kameraunterseite. Neben „Germany“ mit welchem die DDR gemeint war, befindet sich ebenso der Ernemannturm, das Q1 Gütesiegel und die Betriebsnummer 12/2034 des Kameraherstellers.
Eine günstige Kamera war die Pentina aber keineswegs. Die Kamera wurde intensiv beworben, war allerdings letztlich zu teuer und damit sozusagen unverkäuflich. So sollte die Pentina mit dem Standardobjektiv in Westdeutschland 1961 doch stolze 790,- DM kosten. Die Kamera, auf „Weltniveau“ und „Messesensation“ entwickelt, entwickelte sich vom devisenbringenden Hoffnungsträger zum Flop, dann zum ungeliebten Ladenhüter.
Das heute teils irritierende Design hat dann Nikon dazu bewogen, eine äußerlich recht ähnliche Kamera in Form der Nikkorex Auto 35 zu entwerfen und mit dieser den Markt zu sondieren. Konstruiert und zur Serienreife gebracht wurde die Pentina von Hans-Joachim Daeche. Die als „Spiegelreflexkamera in neuem Gewande“ beworbene Kamera sieht man auf den ersten Blick gar nicht an, dass es sich um eine SLR handelt. Prisma und Bedienelemente sind in der Oberkappe integriert und damit verschwunden.
Daraus resultiert auch die ungewöhnliche Form des Aufzugs- und Filmtransporthebels der sonst fast komplett im Gehäuse verschwindet.
Die Kamera wurde lediglich in den Jahren 1961 bis 1965 in einer Gesamtstückzahl von etwa 45,000 Exemplaren in sieben Varianten gebaut. So die Pentina „M“ mit Belichtungsmesser und Messkeil, die Pentina „F“ mit Belichtungsmesser und Fresnellinse, der Pentina „FM“ die alles miteinander kombinierte und die Pentina „E“ ohne einen Belichtungsmesser. Die Kamera war auf jeden Fall eine Flucht der ostdeutschen Kameraindustrie nach vorn mit neuem Designkonzept und einem neu entwickelten aufwendigen Zentralverschluss. Bei dem Prestor-00-Reflex-Zentralverschluss handelt es sich um einen Hinterlinsenverschluss, den man nicht aller Tage zu sehen bekommt.
Dabei handelt es sich um einen Durchschwingverschluss, welcher sich beim Spannen öffnet und deshalb einen Hilfsverschluss während des Spannens benötigt. Der Spiegel selbst bildet dabei den Hilfsverschluss, während der Durchschwingverschluss sich vor und nicht, wie bei einer SLR üblich, hinter diesem befindet. Zusammenfassend gesagt, sehenswert.
Um es technisch noch komplexer zu machen benötigt die Kamera eine automatischen Okularverschluss, damit beim spannen kein Licht auf den Film durch das Okular gelangt.
Die Kamera polarisiert, da einerseits viel Aufwand in die Konstruktion eines neuen Verschlusses gesteckt wurde, um dann auf äußeren und sicherlich politisch motivierten Druck die Kamera schnell auf den Markt zu bringen, um mit diesem Hoffnungsträger Devisen in die DDR zu spülen. Als Vorbild hatte man durchaus SLRs aus Westdeutschland mit Zentralverschluss, wie die westdeutsche Zeiss Ikon Contaflex. Mit der Pentina wollte man an deren Erfolge anknüpfen. Nachdem die Contaflex aufgrund mangelnder Wechseloptik zum zunehmend indiskutablen Vorbild wurde, sollte die Voigtländer Bessamatic als neues Vorbild für die Pentina dienen. Ironischerweise führten in den Westen geflüchtete Ingenieure ihre im Osten entwickelten Ideen fort, um dann dort wieder kopiert zu werden. Die Kamera verwendet ein eigenes Steckbajonett, welches an die Praktisix erinnert.
Die für die Pentina angebotene Objektivpalette war aufgrund des Verschlusses in der Brennweite begrenzt, dadurch übersichtlich, aber durchaus hochwertig. Neben dem Tessar 50mm f2.8, hier übrigens als „Gold-Zebra“, gab es das Portraitobjektiv Cardinar 85mm f2.8, das Weitwinkel Lydith 30mm f3,5 und ein Tele aus dem Hause Meyer Görlitz mit 135mm f4.
Optisch kommen die Objektive im Gegensatz zu anderen hier zeitgenössischen sehr modern daher. Betrachtet man die Objektive näher, so fällt einem auf, es fehlen zwei Dinge. Es fehlt der Ring zur Blendenauswahl, welcher aber direkt auf der Kamera sitzt. Ebenso fehlt der Blendenhebel, welcher diese öffnet und schließt. Stattdessen findet sich ein Stößel, der durch die Eintauchtiefe auch die entsprechende Blendenöffnung bestimmt. Mittels eines Nachführzeigers kann durch Blende und Verschlusszeit die richtige Kombination ermittelt werden. Allerdings fehlt der Kamera eine entsprechende Einspiegelung, welche wohl geplant, aber aufgrund des Drucks wohl nicht mehr realisiert wurde. Dadurch muss die Kamera vom Auge genommen werden und von oben abgelesen und eingestellt werden.
Der Filmtransporthebel wie auch der Auslöser befinden sich nicht wie gewohnt rechts, sondern links. Somit muss auch mit der rechten Hand fokussiert werden. Für mich als Linkshänder gar nicht so schlecht, für die breite Masse allerdings sicherlich irritierend. Die Rückwand ist vollständig abnehmbar, praktisch, aber ebenso dürfte diese dem einen oder anderen Fotograf auf den Boden gefallen sein.
Das Zählwerk kann ebenso nur bei geöffneter Rückwand eingestellt werden, das heißt wenn man das Zurückstellen nach dem Einlegen vergisst…
Die Konstrukteure hatten den Mut, etwas neues zu wagen. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Wer nichts wagt, kann auch nicht scheitern. Hätten die Entwickler etwas mehr Zeit gehabt, um die Schwächen der Kamera zu beheben, hätte die Pentina einen anderen Platz einnehmen können. Zurück zum Anfang: „Du willst damit wirklich auf die Straße?“. Wenn man in der Menge des Großstadtdschungels auffallen möchte und auf qualitativ hochwertige Objektive nicht verzichten möchte? Why not? Es spricht nichts dagegen! Mit freundlichen Grüßen nach Biberach an den ehemaligen Besitzer. Wie kam es überhaupt dazu, dass dieser nicht nur ein, sondern gleich zwei Exemplare dieser Kamera hatte?
Testbilder folgen hier in Kürze.
Lieber Rainer,
Vielen Dank für die Vorstellungen
dieser ungewöhnlichen Kamera.
Und ja, Du kannst sie tragen;-)
Ich kann ALLES tragen 🙂