Fed1 Modell “G“


„Das ist doch so eine billige Leicakopie aus dem Ostblock? Geht die überhaupt oder ist das rausgeschmissenes Geld? Hatte ich auch mal!“ …bekam ich vor kurzem mehr als Feststellung statt Rückfrage von einem ambitionierten Fotografen zu hören. Ja, es handelt sich um eine Kopie der Schraubleica IIA, ob diese noch funktioniert, gute Bilder machen kann, dazu später. Einen Wiedererkennungswert oder nostalgische Erinnerung scheint die Kamera jedenfalls ausgelöst zu haben. Ob diese Erinnerungen positiv, negativ oder ambivalent waren, konnte ich nicht so richtig einordnen.

Wenn man von einer Ostblockleica redet, meint man meist eine ZORKI aus dem Hause KMZ oder die Fed1 der Fed Company Kharkov Ukraine. Hier fängt auch meist der fachliche Diskurs zwischen ZORKI und Fed1 an, welche besser gebaut oder doch mehr Toleranzen aufweist. Leicas wurden zur damaligen Zeit von vielen weiteren Herstellern teilweise vielleicht besser, häufig auch schlechter kopiert. Hierzu gehört beispielsweise die Canon IV der aufstrebenden japanischen Kameraindustrie. Es wurde aber nicht nur kopiert, sondern durchaus weiterentwickelt. Fed steht als Abkürzung zu “Felix Edmundovich Dzerjinsk“. Zorki ist russisch und bedeutet so etwas wie „scharfsichtig“ und ist ein Markenname des sowjetischen Herstellers „Krasnogorski Mechanitscheski Sawod“, kurz und besser bekannt unter KMZ. Ein anderer Markenname vom KMZ ist die Serie der ZENIT. Bei Fed wurden Leicakopien bereits seit 1934 in Kharkov produziert. Dabei handelt es sich heute um die Stadt Charkiw und ist nach Kiew die zweitgrößte Stadt in der Ukraine. Zum Zeitpunkt von diesem Artikel im Novenber 2022 ist die Stadt Schauplatz von einem Konflikt mit noch ungewissen Ausgang. 1941 wurden Teile der Fabrik Fed von Kharkov nach Berdsk in Sibirien verlagert, um den anrückenden deutschen Truppen zu entkommen, welche das Werk in Kharkov dann auch zerstörten. Fed hatte im Anschluss zunächst Schwierigkeiten ihre Produktion wieder hochzufahren. Da die Werke vom KMZ nicht zerstört wurden, begann man dort die Produktion einer FED-Zorki aufzunehmen. Fed ging in der Nachkriegszeit wieder in die Produktion, aber ZORKI baute und entwickelte seitdem ihre eigene Version der Schraubleica weiter. 

Bei der vorgestellten Fed1 Modell „G“ handelt es sich um ein Modell aus dieser Nachkriegsproduktion und damit um ein recht “junges“ Exemplar. Hergestellt zwischen den Jahren 1953-1955 mit Seriennummern von 400000-800000 und damit in einer entsprechend hoher Auflage. Zum Zeitpunkt von diesem Artikel hat die Kamera damit bereits fast 70 Jahre auf dem Buckel. Die Fed1 bietet eine vergleichbare Ausstattung wie die Leica IIA und Verschlusszeiten von Bulb, 1/25 bis “nur“ 1/500. Der “rote Punkt“ am Kragen vom Auslöser signalisiert den Filmtransport. Wie üblich sollte die gewünschte Verschlusszeit nur bei gespanntem Verschluss ausgewählt werden.

Als Nachkriegsmodell ist das Wechselobjektiv, hier eine Kopie vom versenkbaren ELMAR, bereits vergütet, was am bläulichen Schimmer zu erkennen ist. Wie beim frühen ELMAR, benötigt man wegen dem fehlendem Filtergewinde einen Aufsteckfilter.

Mit dabei, die recht stabile Kamertasche aus dickem Leder.

Wie die Schraubleicas hat die Fed1 zwei Einblicke und ist damit keine richtige Meßsucherkamera. Das linke Sucherfenster mit Vergrößerung und Mischbild dient zur Fokussierung, das rechte zur Auswahl vom Bildausschnitt.

Die Fed1 ist wie ihr Vorbild ein Bodenlader, bei dem der Film entsprechend geladen und vorher beschnitten werden muss. Die Zähne der Filmperforation müssen dabei in die Zähne der Transportwalze greifen. Die mit zwei einfachen Metallstreifen gefederte runde Filmandruckplatte befindet sich im Innern der Kamerarückwand.

Die Fed1 hat wie die Leica ein M39 Bajonett, allerdings nicht das genaue Leica-Auflagemaß von 28,8mm. Das Auflagenmaß der Fed1 liegt je nach frühen oder späten Modellen bei 29.X und 30.X mm. Auch ist der Gewindeanfang entweder gar nicht definiert oder dann bei späteren Modellen durch eine Kerbe am Bajonett markiert. Objektive wurden durch hauchdünne Unterlagsscheiben aus Papier, den Shims, justiert. Das heißt, dass andere M39 Objektive an die Fed1 passen, aufgrund des anderen Auflagenmaßes aber nicht unbedingt punktgenau scharf abbilden.

Heute wird es zunehmend schwieriger ein optisch schönes, funktionierendes und günstiges Exemplar zu bekommen. Das vermeintliche Schnäppchen taugt ohne Wartung schnell nur als Vintageobjekt für die Vitrine. Eine Reparatur lohnt sich meist aufgrund des Aufwandes und der Kosten nicht. Vielleicht ein Grund für den teils schlechten Ruf über Kameras, deren Alter man schnell vergisst, die niemals gewartet worden sind, das Verschlusstuch lichtdurchlässig und spröde wurde, die Schmiermittel verharzt sind und die Kamera die letzten Jahrzehnte nicht oder falsch bewegt wurde. Meine Kamera war optisch in Ordnung, fand aber durch falsche Verwendung in Kombination mit ohnehin brüchigen Verschlusstüchern und einem misslungenem Reparaturversuch ein jähes Ende. Dank einer aktiven analogen Fotoszene und technisch versierten Fotobegeisterten, die sich auf bestimmte Kameras spezialisiert haben, war Hilfe binnen weniger Stunden übers Internet schnell gefunden. Meine Kamera kam nach kurzem Reparaturaufenthalt mit neuen Verschlusstüchern, frisch justiert und erneuertem Stift am Objektiv zurück. Dafür vielen Dank und Gruß an die entsprechende Person!

Wer eine gute Fed1 findet oder eine Wartung und Reparatur nicht scheut, hat eine zuverlässige und erstaunlich gut verarbeitete Leicakopie zur Hand. So gut, dass manche Fed1 zur vermeintlich echten Leica „umgearbeitet“ wurde. So finden sich nicht nur im Internet reichlich Fälschungen. Diese fallen mehr oder weniger durch ihre besondere Belederung, Vergoldung, Symbolen oder gefälschten Gravuren wie “Luftwaffe“, “Bildberichter“, “Heer“ oder “Marine“ auf.

Bilder vom ersten Testfilm folgen hier in Kürze…

One Reply to “Fed1 Modell “G“”

  1. Sehr schön in Szene gesetzt und sie bekommt die Aufmerksamkeit, die ihr gebührt. Natürlich ist eine Leica II präziser gefertigt und verarbeitet, aber ob die Fotos dadurch besser werden ist fraglich. Spaß muss es machen.

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