Contax-Story II / III – Teil 2

Es gibt wenige ikonische Kameras mit so vielen technischen und geschichtlichen Facetten wie die Contax. Deutschland in den 1930er Jahren. Erfinder, Ingenieur und Generaldirektor Dr. Emanuel Goldberg scheidet unfreiwillig und unter der Bedrohung von Leib und Leben aus der Zeiss-Ikon AG aus. Er rettet sich und seine Familie über den Umweg von Paris nach Palästina. An dessen Stelle avanciert Dr. Heinz Küppenbender, der die Contax auch in der Nachkriegszeit als sein Lebenswerk reklamiert, zum neuen Vorstandsmitglied des Megakonzerns. Dessen Position nimmt wiederum Hubert Nerwin ein, unter anderem mit der besonderen Aufgabe die Contax I weiter zu verbessern. Das Projekt „Contax“ war sicherlich nie eine „One-Man-Show“, da darin ein ganzes Team an Ingenieuren und Spezialisten involviert war und das Projekt innerhalb der Produktpalette der Zeiss-Ikon AG eine hohe Priorität hatte. Die Ambitionen sind hoch, denn die Contax soll zum „Leica-Killer“ werden und punktet neben vielen Details auch mit einer hochwertigsten Objektivpalette aus dem Hause Zeiss Jena. Ab 1935 erscheint die wenig später auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1936 vorgestellte und verbesserte Contax II und die Contax III auf dem Kameramarkt. Im Gegensatz zur Contax I, welche innerhalb der laufenden Produktion siebenmal nachgebessert und verändert wird, bleibt die Contax II und III, bis auf kleinere Details konstant und unverändert. Die Modelle II und III unterscheiden sich letztlich nur darin, dass in der III ein ungekuppelter Selen-Belichtungsmesser fest verbaut wird. Damals nebenbei bemerkt eine absolute Neuheit und auch ein Verkaufsargument im Zuge der neuen Farbfotografie. Es lohnt sich diesem Zusammenhang auch mal die Super Ikonta 533/16 mit Belichtungsmesser und 532/16 ohne Belichtungsmesser anzuschauen.

Aufgrund der ansonsten gleichen Bauweise, konnte eine Contax II ein Update zu einer Contax III erhalten. Das führt heute teils zur entsprechenden Irritation, wenn der Abgleich der Seriennummer einer III, dann jener einer II entspricht. Die Schutzklappe vom Belichtungsmesser schützt diesen einerseits bei Nichtbenutzung und schirmt diesen gleichzeitig bei der Benutzung effektiv vor Lichteinstrahlung von oben ab. Aufgrund des Alters sind viele Selen-Belichtungsmesser leider nicht untypisch am Ende ihrer Lebenszeit angekommen oder liefern teils keine genauen oder brauchbaren Werte mehr. Das betrifft aber allgemein Kameras mit Selenzellen. Allerdings ist dies ein Grund, weshalb die eigentlich damals günstigere und schlankere Contax II heute, jedenfalls für die Praxis, begehrter ist.

Die Unterscheidung in „mit“ oder „ohne“ Belichtungsmesser wird sich die Kamerareihe auch in der Nachkriegszeit zwischen der IIA und IIIA oder auch bei seinem sowjetischen Nachbau der Kiev beibehalten Im Gegensatz zur schwarzen Contax I aus dem Nickelepoche hatte nun das Zeitalter der verchromten Kameras begonnen. Die neue Contax und Spitzenmodell der Zeiss-Ikon AG im Bereich der Kleinbildfotografie zeigt sich entsprechend verchromt modern und zeitgenössisch. Fehlten bei der Contax I noch heute gültige Standards in der Anordnung von Bedienelementen, zeigt sich die Contax II / III in der Bedienung wesentlich moderner. Der Filmtransport und Aufzug ist von Vorne auf die rechte Kameraschulter gewandert. Auch der Messsucher wurde verbessert, denn die Kamera besitzt nun einen Schwenkkeil-Entfernungsmesser. Wichtiges Novum ist, dass der Sucher nun nicht mehr in zwei Fenster geteilt, sondern in ein einziges Meß-Sucher-Fenster kombiniert ist. Die schnellste Verschlusszeit des alternativen und eigenwilligen Verschlusskonzeptes beträgt nun beachtliche 1/1250stel. Der rolladenartige Metalllamellenverschluss ist mit seinen Bändern aus echter Seide berüchtigt. Das Naturprodukt Seide hat dabei allerdings erstaunliche Eigenschaften. Die Suche nach Reparaturwerkstätten, welche eine CLA, Reparatur durchführen und auch über Ersatzteile verfügen, ist nicht gerade einfach. Einerseits sehr von der Kamera überzeugt, scheue ich mich daher andererseits etwas diese Kamera jedermann für die Praxis zu empfehlen. Immerhin handelt es sich bei der Contax um eine sehr komplexe Kamera, die aus etwa 650 Einzelteilen besteht und man vergisst zu häufig das Alter der recht modern wirkenden Kamera.

Haymo Bachmaier, analoger Streetfotograf aus Salzburg, war beim erstellen von diesem Artikel gerade bei der Reparatur seiner Contax III und hat mir die beiden Fotos vom Innenleben seiner Kamera zur Verfügung gestellt. Mit herzlichen Dank nach Salzburg an www.haymobachmaier.com

Schnelle Verschlusszeiten und hochwertige Objektive sind in Zeiten der großen Sportveranstaltungen im nationsalsozialisitischen Deutschland gefragt. Im Jahre 1936 finden die Olympischen Sommer- und Winterspiele statt und AGFA präsentiert seinen neuen Farbfilm. Dabei gilt es nicht nur sportliche Ereignisse abzulichten, sondern auch um Fotografie im Zeichen der Propaganda und der damit angestrebten Demonstration der Überlegenheit von Deutschland in vielen Bereichen.

Hier eine kleine Seltenheit in Form einer Contax II mit alter Zeitenreihe und anderer Rändelung. Damit handelt es sich um eine sehr frühe Contax, von welcher nur etwa 1000 Exemplare hergestellt worden sind.

Die Contax II / III ist ebenso wie die Leica keine Kamera des Volkes um die Kleinbildfotografie einer breiten Masse nahe zu bringen. Sie ist ein deutsches Qualitäts- und Hightechprodukt ihrer Zeit. Entsprechend ihrer Hochwertigkeit sind auch die damaligen Preise im oberen Segment angesiedelt. Diese variieren entsprechend der Body- und Objektivkombination und reichen 1937 von 360,- bis hin zu 695,- Reichsmark. Unten gezeigt links eine Contax III mit versenkbaren Tessar 50mm f2.8 und rechts einer Contax II mit einem Sonnar 50mm f1.5. Die Preisgestaltung gestaltete sich damals folgendermaßen: Contax II (III) – Zeiss Tessar 5cm f3.5 360,- RM (470,- RM), Zeiss Tessar 5cm f2,8 385,- RM (495,- RM), Sonnar 5cm f2 450,- RM (560,- RM), Sonnar 5cm f1.5 585,- RM (695,- RM). Bei der rechts gezeigten Contax II wurde vielleicht vom einen oder anderen aufmerksamen Beobachter der seitliche Blitzanschluss bemerkt. Dieser ist nicht „original“, da Blitzfotografie erst in der Nachkriegszeit ein großes Thema wurde. Kameras dieser Zeit waren allerdings eine sehr teure Anschaffung und damit kein Wegwerfprodukt. Aus diesem Grunde hat diese Kamera, wie viele andere Kameras aus dieser Zeit auch, von einem seiner Vorbesitzer dieses Update erhalten.

Die Qualität der Contax und deren Objektive wird auch von Berufsfotografen ihrer Zeit geschätzt. Nicht umsonst dürfte der Starfotograf und Mitbegründer von MAGNUM Photo und vor allem als Kriegsjournalist bekannte Fotograf Robert Capa, der „Haifisch“, eine Contax II im spanischen Bürgerkrieg oder bei der Landung am „Ohama Beach“ am D-Day gewählt haben. Vielleicht hat Capa auch Dr. Emanuel Goldberg im seinem vorübergehenden Exil und Außenstelle von Zeiss-Ikon in Paris kennengelernt? Von seinen unter Beschuss entstandenen Filmen in der Normandie überlebten aufgrund eines Laborfehlers letztlich nur elf Aufnahmen, die allerdings um die Welt gingen. Robert Capa, eigentlich als Endre Ernő Friedmann in Budapest mit jüdischen Wurzeln geboren, fotografierte bekannte Schauspielerinnen und Künstler wie Matisse oder Picasso. Als Kriegsphotojournalist war er auf insgesamt fünf Kriegsschauplätzen tätig. Bei seinem letzten Einsatz im Indochinakrieg wird Capa von einer Antipersonenmine getötet. Von ihm stammt das Zitat: „Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, dann bist du nicht nah genug dran.“

Während des Zweiten Weltkriegs werden bei amerikanischen Luftangriffen Werke der Zeiss-Ikon AG zerstört und beschädigt. Dabei gehen Menschenleben, Maschinen, Pläne und auch das damit verbundene Know-How teilweise verloren. Die Geschichte der Contax, dem „Leica-Killer“ aus der Hause Zeiss-Ikon AG scheint eigentlich beendet. Deutsche Technologie, die anderen Ländern teils Jahre voraus ist, ist unter den Siegermächten hoch gefragt. Die Werke werden daher nicht nur von Soldaten besetzt, sondern von fachkundigen Spezialisten genau untersucht. Im Rennen nach Know-how, Maschinen, Plänen und auch Personal geht das damalige Hightechprodukt in der Nachkriegszeit zwei unterschiedliche und auch neue Wege. Diese führen im wesentlichen einmal ins ferne Kiew und einmal nach Süddeutschland. Erst Jahrzehnte später wird der Name Contax im Niedergang der deutschen Kameraindustrie mit japanischen Partnern wie Kyocera oder Yashica wiederbelebt.

Der Kiev und Contax IIA / IIIA sind weitere Blogartikel dieser Website gewidmet.

Mit Grüßen an Ilona S. nach Berlin. Von Ihr habe ich aus dem Nachlass Ihres Vaters neben einer Contax IIIA auch eine defekt Contax II erhalten. Die Contax II wurde mittlerweile repariert und durfte nach Berlin kurz zurückkehren und beispielsweise folgende Fotos zu machen.

2 Replies to “Contax-Story II / III – Teil 2”

  1. Nach Deiner erfolgreichen Infektion mit Contax nun der passende Blog-Beitrag… 🙂
    Wie immer sehr lesenswert und informativ.

    1. …wenn auch in chronologisch falscher Reihenfolge folgt bald noch der Artikel zur Contax I und zur Kiev (…die man nicht so einfach als „billige“ Kopie abtun kann). Gruß Rainer

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