Contax-Story „Kiev“ – Teil 4

Die Kiev, die sowjetische Contax? Die Kiev wird meist als minderwertige Kopie der Contax mit mangelnder Qualitätskontrolle und wechselnden Fertigungstoleranzen angesehen. Tatsächlich wurden Kameras gerne kopiert, wie beispielsweise die Schraubleica von Zorki und Fed. So einfach lässt sich das aber bei der Kiev nicht beantworten, denn diese ist im Grunde keine Kopie, sondern eine Beutekamera der Contax II (ohne Belichtungsmesser) und der Contax III (mit Belichtungsmesser) nach dem Zweiten Weltkrieg.

Nach der Besetzung von Deutschland kommt es unter den Siegermächten auch zu einem Wettlauf in der Erkundung und Sicherstellung von deutscher Technologie. Die Amerikaner erkennen, dass diese nicht alles abbauen können, noch alles mitnehmen dürfen. Sie entscheiden sich für die Strategie „Take the Brain“ und verfrachten die führenden Mitarbeiter der Zeiss Ikon AG kurzerhand nach Westdeutschland. Damit beginnt die Trennung von Zeiss in Ost und West. Ebenso ergeht es den führenden Köpfen des Glasherstellers Schott, welche im „Zug der 41 Glasmacher“ ins süddeutsche Heidenheim kommen.

Die Werke der Zeiss Ikon AG bleiben in der sowjetischen Besatzungszone und stehen unter Militärverwaltung. Was nicht in Trümmern liegt, weckt Interesse und Begehrlichkeiten, denn Deutschland war technisch gesehen anderen Ländern teils Jahre voraus. Dabei ging es auch darum sich den führenden Köpfen und Wissenschaftlern zu bemächtigen. Bekanntes Beispiel hierfür ist Wernher von Braun und Schöpfer der Terrorwaffe V2. Der Raketenwissenschaftler machte in der Nachkriegszeit Karriere bei der NASA. Das „Weltraumrennen“ zwischen den USA und der Sowjetunion war in erster Linie ein Produkt des Kalten Krieges, des ideologischen und politischen Konflikts zwischen den beiden Supermächten. Die USA und die Sowjetunion standen sich als Hauptkontrahenten im Kalten Krieg gegenüber. Der Erfolg im Weltraum wurde als Zeichen für die technologische und militärische Überlegenheit angesehen, weshalb beide Seiten bestrebt waren, im Weltraum zu triumphieren. Die Raumfahrt bot eine ausgezeichnete Möglichkeit für Propaganda und Prestige. Die Sowjetunion sorgte 1957 mit dem Start des ersten künstlichen Satelliten, Sputnik 1, für einen großen Propagandasieg. Die USA reagierten mit verstärkten Bemühungen, um ihrerseits Erfolge im Weltraum zu erzielen. Die Entwicklung von Raumfahrttechnologien war eine technologische Herausforderung, die enorme Ressourcen und Innovation erforderte. Beide Nationen investierten massiv in Forschung und Entwicklung, was zur Beschleunigung des Raumfahrtfortschritts führte. Die militärischen Aspekte der Raumfahrt waren unübersehbar. Satelliten konnten für Spionage und Kommunikation genutzt werden, und die Fähigkeit, Raketen ins All zu befördern, hatte auch nukleare Implikationen. Letztendlich diente das Weltraumrennen als Schauplatz für den Wettbewerb und den Machtkampf zwischen den USA und der Sowjetunion während des Kalten Krieges. Es endete schließlich mit der Mondlandung der USA im Jahr 1969, was als ein bedeutender Sieg für die USA und eine Demonstration ihrer technologischen Überlegenheit angesehen wurde. Dabei war es die Saturn V, die Rakete von Wernher von Braun, welche die Apollo Astronauten zum Mond brachten. Zurück zur Zeiss Ikon AG.

Statt die Produktion der Kameraindustrie im Osten wieder in Gang zu bringen, werden daher die Anlagen unter Militärverwaltung als Teil der Reparationsleistung von Soldaten wenig sachkundig abgebaut, noch zerstörungsfrei und verlustfrei in die Ukraine transportiert. Eine nahtlose Produktionsaufnahme von einem Spitzenprodukt der Zeiss Ikon AG war im Werk von Arsenal Kiev nicht wie geplant möglich. Zur Erfüllung von Reparationsforderungen mussten Werkzeuge und Maschinen in „einfacherer Form“ neu hergestellt werden. Gerade bei frühen Modellen der Kiev werden daher auch noch Originalteile der Contax verwendet.

Illustration Midjourney, Prompt Rainer Leyk

Ab 1947 lief dann die Kiev II, wenig später in größerer Stückzahl die Kiev-4 und Kiev-4A vom Band, deren Produktion erst 1987 als 4AM oder 4M eingestellt wurde. Mangels Abnutzung und Fachkräften, welche die langsam mehr verschleißenden Maschinen warten und reparieren konnten, soll die Qualität zunehmend schlechter geworden zu sein. So empfiehlt es sich eher ein frühes Modell vor den 70er Jahren zu kaufen als beispielsweise eine jüngere Kiev-4M. Die späten Modelle 4AM und 4M sind vor allem am veränderten Design des Aufzugshebels und einem Plastikteil am Hebel des Vorlaufwerks zu erkennen. Die ersten beiden Ziffern der Seriennummer verraten dabei das Herstellungsjahr, wie hier beispielsweise das Jahr 1956.

Auch wenn man meist von der Kiev 4 spricht, gab es dort tatsächlich leicht unterschiedliche Modelle.

  • KIEV II 1947-1957 (ohne Belichtungsmesser)
  • KIEV III 1948-58 (mit Belichtungsmesser)
  • KIEV IIA 1951-59 (ohne Belichtungsmesser)
  • KIEV IIIA 1956-59 (mit Belichtungsmesser)
  • KIEV 4 Typ 1 1957-59 (mit Belichtungsmesser)
  • KIEV 4 Typ 2 1958-59 (mit Belichtungsmesser)
  • KIEV 4 Typ 3 1958-74 (mit Belichtungsmesser)
  • KIEV 4 Typ 4 1974-80 (mit Belichtungsmesser)
  • KIEV 4A Typ 1 1956-58 (ohne Belichtungsmesser)
  • KIEV 4A Typ 2 1958-74 (ohne Belichtungsmesser)
  • KIEV 4A Typ 3 1974-75 (ohne Belichtungsmesser)
  • KIEV 4A Typ 4 1976-80 (ohne Belichtungsmesser)
  • KIEV 4M 1976-1987 (mit Belichtungsmesser)
  • KIEV 4A AM 1976-1987 (ohne Belichtungsmesser)

Hier und dort wurden aber auch Veränderungen vorgenommen. Beispielsweise wurden die Bänder aus echter Seide durch dickere Bänder aus Kunstfaser ersetzt. Beim Selenbelichtungsmesser wurden die Einheiten und Anzeige entsprechend angepasst.

Drehknöpfe und Knebel unterscheiden sich in Details. Die Verchromung hat einen etwas anderen Glanz.

Wie die Kameras selbst, wurden auch die Zeiss Objektive der Contax nachgebaut. Das hat heute den Vorteil, dass eine entsprechende günstige Objektivpalette aus Sowjetproduktion sowohl an der Kiev, wie auch Contax verwendet werden kann. Kopiert wurden die Vorkriegsobjektive, so dass das Jupiter 12 an den Nachkriegsmodelle der Contax IIa und IIIa nicht passen.

Jupiter 1235 mm f 2.8
Jupiter 350 mmf 1.5
Jupiter 850 mmf 2
Jupiter 985 mmf 2
Jupiter 11135 mmf 4
Helios 10353 mmf 1.8
Helios 9450 mmf 1.8

In Deutschland gab es daher weder die Voraussetzungen noch Gründe an der Technologie der Contax II / III festzuhalten. Sowohl in West wie in Ost musste die Kameraindustrie wieder neu aufgebaut werden, nur dass man nun in gegenseitiger Konkurrenz stand. Im Westen wurde die Contax als IIa und IIIa völlig neu konstruiert, während man sich im Osten an die SLR Contax S machte.

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