Arette 1C / 1D – Schwestern vom Bodensee

Bei der Arette 1C und der 1D handelt es sich um Schwestermodelle von einem Messsucher „Made in Friedrichshafen“ aus den späten 1950er Jahren (1C ab 1957 und 1D ab 1959). Die Modellreihe aus dem Hause AkA „Apparate und Kamerabau“ erscheint als Nachfolger zur AkArette und AkArex. Bei der Reihe handelte es sich um Sucher- oder Messsucher mit und ohne Belichtungsmesser: 1A (Sucher ohne Belichtungsbesser), 1B (Sucher mit Belichtungsmesser), 1C (Messsucher ohne Belichtungsmesser), 1D (Messsucher mit Belichtungsmesser). Später folgten noch überarbeitete Modelle mit kleinem „n“ für „neu“ und „w“ für „Wechseloptiken“ sowie Automatikmodelle.

Die Reihe der Arette, welches als Exportversion auch unter „Optina“ oder „Akarex“ gelabelt sind, besticht durch ein recht futuristischen Design. 1957 beginnt nebenbei gemerkt auch das Zeitalter der Raumfahrt. Die Sowjetunion schickt vor den Amerikanern den künstlichen Erdsatelliten Sputnik ins All. Das löst nicht nur den sogenannten Sputnikschock aus, sondern ist auch eine Wegmarke des Kalten Krieges, dem Wettrüsten zwischen Ost und West und dem Wettlauf in der Vorherrschaft in Umlaufbahn und Weltraum.

Rainer Leyk – Scan von Negativ Arette 1C

Am Bodensee ging es sicherlich etwas ruhiger zu, vor allem weil sich das kleine Kamerawerk direkt am Bodensee mit eigenem Strandabschnitt befand. Das ehemalige Werk, heute Zeppelin-Universität und Sportsbar „AkA“, lag sehr idyllisch und seltenst wird heute wohl Studenten eine große Liegewiese mit direkten Zugang zum Bodensee geboten. Vielleicht stören die Schwäne ab und an beim studieren oder erbetteln sich Essen.

Rainer Leyk – Scan von Negativ Arette 1C
Rainer Leyk – Scan von Negativ Arette 1C

Die kleine Kameraschmiede geht auf die Brüder Eugen und Max Armbruster zurürck. Eugen war bereits bei der Entwicklung der Robot, Bessa II und Brillant beteiligt um dann bei Gauthier zu arbeiten. Deren Verschlüsse sollten später auch bei der AkArette verwendet werden. Max, der andere Bruder hatte eine Werkzeugfirma wie auch eine Gießerei in Ulm-Langenau. Die „Apparate und Kamerabau GmBH“ wurde 1946 im Schwarzwald, genauer gesagt in Wildbad gegründet, wo die AkArette I gebaut wurde. Das ehemalige Hotelgebäude, welches von der jungen Firma genutzt wurde, war bald zu klein und die Unterstützung zum Wachstum der beschaulichen Kurortes zu gering. Durch seine Ausflüge in die Alpen verschlägt es einen der Brüder immer wieder auch an den Bodensee. Friedrichshafen war Standort namhafter Unternehmen und deshalb auch Ziel von Luftangriffen mit der Folge der fast vollständigen Zerstörung der Bodenseestadt. Die Ansiedlung neuer Industrie, neuen Arbeitsplätzen und neuem Know-how war damit in der Nachkriegszeit willkommen. Der Umbau einer Zeppelinhalle gestaltete sich für das kleine Unternehmen doch zu teuer und so kamen die bei denn Luftangriffen beschädigten Gebäude der Fliegertechnischen Vorschule am Seemoser Horn in Betracht. Bei solchen „Vorschulen“ handelte es sich um Institutionen des Reichsluftfahrtministeriums im Nationalsozialismus. In dieser erhielten Jugendliche eine technische Berufsausbildung in unterschiedlichen Berufen, aber danach auch eine angehende militärische Ausbildung zum Soldaten der Luftwaffe.

Rainer Leyk – Scan von Negativ Arette 1C
Rainer Leyk – Scan von Negativ Arette 1C

Im Laufe der Firmengeschichte kam es zum Zwist, dann zum Bruch, zwischen den beiden Brüdern. Der eine möchte die in Friedrichshafen entwickelte Stereo Kamera in Kooperation mit der Sawyers aus den USA bauen, der andere lehnt das aber ab. Sawyers stellte den „View Master“, einen damals sehr beliebten Stereobildbetrachter her. Fotoamateure hatten den Bedarf eigene Bilder auf den runden Scheiben für den View Master zu erstellen. Das konnte die „View Master Personal Stereo Camera“ vom Bodensee mit ganz normalem 135er Diafilm Der Bruder verlässt erst die Geschäftsleitung, dann die Firma. Seine Kamera wird dann aber doch noch gebaut, allerdings dann wieder im Schwarzwald von der Firma Regula King. Wie andere deutsche Kamerafirmen waren auch die Kamerawerke am Bodensee der wachsenden Konkurrenz aus Fernost nicht gewachsen. Die kleine Firma kommt immer mehr in Schwierigkeiten. Foto Quelle verkauft zwar in größeren Stückzahlen, aber sicherlich als Großabnehmer zu anderen Preisen. 1960 muss die Firma Insolvenz anmelden und so läuft 1963 die letzte Kamera dann vom Band.

Heraus kamen zwei Messsucher mit Zentralverschluss, der sich vielleicht in den Leistungsdaten wenig von der Konkurrenz absetzt, dafür aber in Details. Die Messsucherfleck ist ein Sechseck. Beide Kameras verwenden einen Prontor-SVS Zentralverschluss mit Verschlusszeiten von bis zu 1/300.

Beide Kameras sind dabei nicht vollkommen identisch. Beide Versionen haben eine raffinierte ausfahrbare Rückspulkurbel, die mittels Schalter nach oben springt.

Dieser unterscheidet sich leicht bei beiden Modellen und ist einmal als Schiebeschalter und einmal mehr als Knopf ausgeführt.

Damit die Kamera nicht nach vorne kippt hat die 1C einen ausfahrbaren, die 1D einen festen Standfuss.

Der leicht abgewandelte Aufzug befindet sich ebenso wie der Bildstandzähler auf der Unterseite.

Praktisch und durchdacht die Gummisonnenblende, die umgestülpt auch in der Bereitschaftstasche nicht stört.

Zeitgemäß besteht die Kamera wesentlich aus Metall, Glas, Leder und nur wenig Kunststoff, etwas was die Kamera aus heutiger Sicht immer noch sehr wertig verarbeitet macht. Es gibt ein paar Dinge, die ich im Gegensatz zur früheren AkArette etwas misse. Die Kamera hat keine Trageösen, was die sichere Nutzung mit der Kameratasche doch ratsam macht. Schade dass den Modellen keine Messsuchervariante mit Wechseloptiken folgte. Denn eine Objekitvpalette war bereits seit der AkArette vorhanden. Auch die hier gezeigt Arette 1BW ist eine Sucherkamera mit Belichtungsmesser und Wechseloptik, welche das Bajonett der AkArette beibehalten hat. Wäre diese gefolgt wären die beiden Brüder nicht im Streit auseinandergegangen?

Musik von Ronald Kah, Web: https://ronaldkah.de/
Rainer Leyk – Scan von Negativ Arette 1C
Rainer Leyk – Scan von Negativ Arette 1C
Rainer Leyk – Scan von Negativ Arette 1C

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