Kodak Retina IIIS (027) – die „Schwaben-Leica“?

Die Kodak Retinas aus dem Hause Kodak Stuttgart-Wangen, eigentlich dem Kamerawerk von Dr. Nagel, sind aufgrund ihrer Zuverlässigkeit und auch hochwertigen Bauweise bekannt. Bei der Kodak Retina IIIS kam es zu einer Neuorientierung. Die erste Abkehr gegenüber einem Messsucher wie der Kodak Retina IIIC „big C“ war, dass es sich nicht mehr um einen Klappfalter mit Balgen handelte, was die neue 027er weniger kompakt machte, dieser dafür ein zeitgenössischeres Design verlieh.

Die Kodak Retina IIIS wurde lediglich von 1958 bis 1960 in einer Stückzahl von 46000 Stück gebaut.

„Typisch“ Retina muss auch hier der Bildstandzähler am Ende wieder zurückgesetzt werden, da sich die Kamera sonst nicht mehr spannen und auslösen lässt und deshalb viele Neubesitzer von einem Defekt der Kamera ausgehen – mit Gewalt kann es dann tatsächlich auch zu einem solchen führen.

Die zweite große Neuerung war, dass es sich nun um eine Messsucherkamera mit Wechselobjektiven handelte, im Gegensatz zur kleineren IIS ohne Wechseloptiken. Zwar konnte bei den Messsuchern IIC oder IIIC auch das vordere Linsenelement für ein Weitwinkel oder ein Tele getauscht werden, nun waren es aber sozusagen „echte“ Wechselobjektive.

Dabei waren Brennweiten von 28mm bis 135mm verfügbar. Klassischerweise wurden diese für Kodak Stuttgart-Wangen sowohl von Schneider-Kreuznach, wie auch von Rodenstock gefertigt.

  • Retina-Curtagon 28mm f4
  • Retina-Eurygon 30mm f2.8
  • Retina-Curtagon 35mm f2.8
  • Retina-Eurygon 35mm f4
  • Retina-Xenar 50mm f2.8
  • Retina-Xenon 50mm f1.9
  • Retina-Ysarex 50mm f2.8
  • Retina-Yasarex 50mm f2.8
  • Retina-Heligon 50mm f1.9
  • Retina Tele-Arton 85mm f4
  • Retina-Rotelar 85mm f4
  • Retina-Tele-Xenar 135mm f4
  • Retina-Rotelar 135mm f4

Die Leuchtrahmen werden bei der IIIS von 35mm bis 135mm automatisch eingespiegelt. 28mm benötigen einen entsprechenden Aufstecksucher.

Der Sucher entspricht dabei der Größe den Kodak Retinas „big“ C, welche nicht mit einem Sucher der „little“ c vergleichbar ist. Der Sucher besitzt auch einen Parallaxenausgleich – was will man mehr? Die neue Kodak Retina blieb dabei dem Zentralverschluss treu. Das limitiert die Kamera zwar auf eine Verschlusszeit von „nur“ 1/500, macht die Kamera aber andererseits eben sehr zuverlässig, langlebig und verhältnismäßig leicht zu reparieren.

Genial gelöst, aber auch häufig leider defekt ist die Einstellung einer passenden Verschlusszeit. Durch drehen des geriffelten Einstellrades auf der Unterseite wird der wird der gelbe Zeiger mit der Nadel des Belichtungsmessers in Deckung gebracht. Zunächst werden beide Zeiger, also der Zeiger des Belichtungsmessers und die Messkelle mittels des Drehrades verstellt werden kann, deckungsgleich gebracht. Darauf hin erhält man eine passende Verschlusszeit-Blenden-Kombination.

Präzision, über die vier Schrauben der gefederten Messingplatte wird das Auflagenmass korrekt eingestellt.

Mittels der beiden Plastikknäufe an der Seite können nun verschiedene passende Zeit-Blendenkombination ausgewählt werden, da Blende und Verschlusszeit miteinander gekoppelt sind. Auch schön gelöst sind die beiden roten Zeiger bei den Objekiven, welche die entsprechende Schärfentiefe zeigen.

Daher gilt es beim Kauf einer IIIS umso darauf zu achten ob der Seilzug nicht gerissen ist und die Selenzellen des Belichtungsmessers funktionieren und brauchbare Werte anzeigen. Ist das nicht der Fall, kann die Kamera auch rein manuell verwendet werden. Andi oder „Mr. Retina“, ersetzt den Seilzug mit Angelschnur (jetzt Drachenschnur). Eine Lösung, welche wahrscheinlich weitere Jahrzehnte halten dürfte.

Das Innenleben verrät die sehr nahe Verwandtschaft zu den Klappfaltern mit den teils identischen Bauteilen und damit auch die berüchtigte Zahnstange, welche aber bei der IIIS nicht mehr aus dem weicheren Messing gefertigt ist.

Kodak Stuttgart-Wangen schickte auch eine SLR Modellreihe ins Rennen. Der besondere Clou beider Retina Serien liegt darin, dass die Objektive sowohl am Messsuchers, wie auch an den Spiegelreflexkameras verwendbar sind. Wenn einen vielleicht auch die SLR weniger interessiert, so sind vielleicht spannende Objektive für die IIIS an einer solcher zu finden.

Zurück zum Titel. Die Kodak Retina IIIS die „Schwaben-Leica“? Im Vergleich zu einer Leica M3 handelt es sich bei beiden Kameras um Messsucher für das Kleinbildformat. Beide Kameras haben entsprechende Wechseloptiken, deren entsprechende Brennweite in den Sucher mit Parallaxenausgleich automatisch eingespiegelt wird. Die IIIS ist daher nicht nur ein Stück lokale deutsche Kamerageschichte aus dem „Ländle“, sondern auch ein kleiner Geheimtipp in den Einsteig in die Welt analoger Messsucher zum Bruchteil einer M3.

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