FED5 – verstrahlt?

Die wichtigste Warnung gleich vorweg. Wenn Sie die Lebensdauer einer FED5 nicht gefährden wollen: Immer erst den Verschluss spannen, den Zeitenhebel anheben und dann die Verschlusszeit auswählen. Die FED5 wurde zwischen den Jahren 1977 bis 1990 gebaut und war im Gegensatz zu Kameras von Zorki weniger für den Export gedacht. Hersteller der Kamera ist die ukrainische Arbeitskommune FED, benannt nach dem Gründer der ersten Geheimpolizei und Geheimdienstes Felix Edmundovich Dserschinski. Die Kamera ist schwer, massiv und verhältnismäßig groß. Dieses Exemplar stammt aus dem Jahre 1989. Dem Jahr, als die Mauer zwischen BRD und DDR fällt und ein junger Wissenschaftlicher etwas erfindet, das wir heute als das Internet kennen. Bei beiden Herstellern Zorki und FED handelt es in der Regel um Kopien oder zumindest starke Anlehnungen der Kameras von Leica. Die ukrainische Kameraschmiede FED entstand nebenbei bemerkt aus einer Arbeitskommune für Jugendliche. Das waren sozialistisch geprägte pädagogische Einrichtungen für im Krieg verwaiste aber auch verwahrloste Kinder, welche zuvor bettelnd, stehlend oder auf anderem Wege um ihr Überleben kämpften. Anstelle der früheren militärisch geführten Strafkolonien für Jugendliche traten diese selbstverwalteten produktiven Arbeitskommunen.  Die Jugendlichen erhielten dort neben Erziehung eine polytechnische Bildung, welche aus geistigem Unterricht und körperlicher Arbeit bestand. Zunächst war FED eine Fertigungsstätte für Alltagsgüter, später Bohrmaschinen und dann Leica-Kopien. Die ersten hergestellten Kameramodelle orientierten sich dabei an den Leicas derart stark, dass Fälscher sich diesen Umstand gerne mal zunutze machten. Späteren Modellen sieht man die Verwandschaft noch an, dennoch ging man langsam auch eigene Wege. Die FED5 mit ihren Schwestern 5V (kyrillisch 5B) und 5S (kyrillisch 5C) sind die letzten sowjetischen Leicakopien. Die FED5 ist wie die Leica M3 eine echte Meßsucherkamera fürs Kleinbildformat. Auch heute noch existieren Restbestände, so dass diese Kamera neu oder neuwertig erworben werden kann. Die Preise liegen je nach Zustand inklusive Objektiv meist zwischen 10 bis 50 Euro. Nicht viel für eine Kamera, welche sich Kameras von Leica zum Vorbild nimmt. Alles ist etwas grober und die Maßtoleranzen größer. Unterschätzt werden sollte die Kamera deshalb aber nicht, das haben andere technische Konstruktionen aus Sowjetzeiten wie der Satellit Sputnik oder die Raumstation MIR bereits in der Vergangenheit gezeigt. Ein paar Eckdaten zur Kamera sind:

  • Meßsucherkamera
  • Kleinbildkamera
  • Tuchverschluss
  • Verschlusszeiten von Bulb bis 1/500
  • Integrierter Selenbelichtungsmesser
  • Selbstauslöser
  • Anschluss für Kabelauslöser
  • M39x1 „Leica“-Schraubbajonett
  • Mischbildentfernungsmesser zur Fokusierung
  • Dioptrienausgleich
  • Hot Shoe und PC-Buchse mit Sync von 1/30
  • Material ist vorwiegend Metall, Kunstleder und Glas

Eine strahlende Schönheit ist die FED5 auf den ersten Blick vielleicht nicht, strahlend aber auch nicht, jedenfalls nicht bei mir. Die FED5 besitzt ein sehr nüchternes auf die Funktion reduziertes rudimentäres Design und ist nicht gerade sehr klein und handlich.

Eine erhöhte Radioaktivität, wie ich diese durchaus von Thoriumglas kenne, konnte ich mit meinem Geigercounter an verschiedenen Objektiven nicht messen. Wenn ja, liegt das nicht an der Kamera selbst, sondern am mitgelieferten Standartobjektiv Industar 61 mit einem M39 Bajonett. Das Industar 61 ist ein Objektiventwurf von Sokolova und Slyusarev und die erste sowjetische Standartlinse unter der Verwendung von optischen Lanthanglas. Lanthan ist ein Übergangsmetall und besitzt ein stabiles und eben ein weniger stabiles Isotop, dass damit radioaktiv ist. Da man beide Stoffe früher nicht hundertprozentig trennen konnte, sollen diese teils leicht verunreinigt sein. Das ist der Grund, weshalb manche Objektive zum vergilben neigen, was durch eine UV-Beleuchtung wenigstens temporär wieder reversibel sein soll. Das Industar 61, ein Tessar mit 4 Elementen in drei Gruppen, gilt teilweise als hervorragendes Objektiv. Allerdings sollen die Objektive eine etwas größere Qualitätsstreuung haben, weshalb sich ein Vergleich lohnen kann. Aufgrund der ersten beiden Ziffern der Objektivnummer kann das Herstellungsjahr vom Objektiv abgeleitet werden, dieses wurde demnach 1989 gebaut. Das Objektiv selbst wird in einem zukünftigen Beitrag unter der Kategorie Altglas separat getestet und vorgestellt.

Auf der Unterseite befinden sich neben dem Stativgewinde zwei Drehverschlüsse zum Öffnen der Kamera. Zum Einlegen des Films wird dabei die komplette Rückwand und Unterseite der Kamera entfernt.

Die FED5 bietet einen sehr praktischen Dioptrienausgleich. Dieser verstellt sich leider aufgrund der Leichtgängigkeit gern. Durch drehen des gerändelten Rades kann die Sehschärfe an den jeweiligen Benutzer angepasst werden. Ein unscharfes Sucherbild lässt daher vielleicht allzu schnell eine Beschädigung vermuten, obwohl eine Kamera technisch vollkommen in Ordnung ist. Die scharfkantige Rändelung erscheint für Brillenträger hingegen mehr als ungeeignet. Die Kamera hat einen integrierten Selenbelichtungsmesser mit Wabenfeld. Der abgelesene Wert, sofern nach den Jahren noch korrekt, kann am Rechenwerk eingestellt werden um die entsprechenden Blenden-Zeit-Kombinationen abzulesen. Auf der Merkscheibe muss entsprechend erst die Filmempfindlichkeit eingestellt werden. Diese ist bei älteren Kameras nicht in DIN oder ISO, sondern in GOST (kyrillisch ГОСТ) angegeben. Ab 1987 wurde GOST den Werten von ISO angepasst. Das heißt bei Kameras nach 1987 kann GOST und ISO gleichgesetzt werden. Bei späteren FED5 ist entsprechend die Bezeichnung ГОСТ / ISO später nur noch ASA oder ISO auf der Merkscheibe abgedruckt. Bei Kameras vor 1987 ist der GOST in der Regel nach altem Standart von 1951-1986 gemeint. Der GOST-Wert liegt dabei etwas unter dem ASA-Wert. 90 GOST entsprechen dabei etwa 100 ASA.

Die Kamera verfügt über einen lichtdichten textilen Tuchverschluss. Da es sich um keine Spiegelreflexkamera handelt, bei welcher Licht entsprechend umgelenkt wird, der Verschluss weder aus Stahl oder Titan besteht, kann dieser durch Sonnenlicht beschädigt werden. Lässt man die Kamera beispielsweise unbedarft in der Sonne liegen, könnte sich ein Loch in das Verschlusstuch brennen. Ein Objektivdeckel oder eine Kameratasche macht bei diesen Kameras daher durchaus Sinn.

Geliefert wird die Kamera im Pappkarton, Bedienungsanleitung und funktioneller braunrötlichen Bereitschaftstasche. Im Kamerariemen ist hier ebenfalls ein Herstellungsdatum aus dem Jahre 1989 entsprechend eingetragen.

Modellvarianten der FED5 sind die spätere 5B und die 5C. Bei der 5B handelt es sich mehr oder weniger identische Kamera, allerdings ohne Belichtungsmesser. Die FED 5C ist bereits etwas interessanter. Zwar fehlt ihr der nützliche Dioptrienausgleich, allerdings bietet die Kamera neben einer Rückspulkurbel vor allem einen verbesserten Sucher mit Leuchtrahmen.

Aber auch unter der FED5 gab es hin und wieder ein optisches Update und kleine technische Veränderungen. Beginnend von der Skala des Belichtungsmessers, der Belederung, den Schrauben oder der Filmandrückplatte bis zum Logo.

Das Einlegen eines Films findet gewohnt statt. Am Ende des Films erlebt man dann allerdings durchaus eine Überraschung. Einen Rückspulknopf sucht man meist erstmal vergeblich und das kraftvolle Zurückspielen könnte durchaus zu Beschädigungen am Film oder Kamera führen. Beim Rückspulknopf handelt es sich um die Manschette unterhalb des Auslösers. Diese muss runtergedrückt werden und rastet dann ein. Danach kann der Rückspulknopf herausgezogen werden und der Film entsprechend zurückgespult werden. Nach Abnahme der Rückwand springt das Zählwerk des Filmes aufgrund eines unscheinbaren Hebels wieder in die Ausgangsposition.

Durch lange Nichtbenutzung, in welcher der Verschluss Jahre oder Jahrzehnte aufgerollt ist, kann der Verschluss brüchig und undicht werden oder an Spannung verlieren. Dies sieht bei der Prüfung mit der Taschenlampe und ohne Objektiv dann beispielsweise wie nachfolgend aus. Bildbereiche werden dann großflächig falsch belichtet, aber nicht streifenförmig, wie bei fehlender Spannung. Ein Austausch in einer Fachwerkstatt übersteigt meist den Wert der Kamera, so dass eine Reparatur in Eigenregie eine Lösung sein kann. Haben die Bilder falsch belichtete vertikale Streifen, schließt der Verschlussvorhang möglicherweise nicht richtig, bleibt bei bestimmten Zeiten hängen oder ganz offen. Das Verschlusstuch hat in diesem Falle an Spannung verloren und muss und kann wieder gespannt werden. In diesem Fall scheint sich allerdings die gummierte Beschichtung des Tuchverschlusses fast vollständig abgelöst zu haben. Da sich keine Beschichtungsteile im Innern der Kamera finden ließen, blieb diese wohl im lange aufgerollten Zustand an der gegenüberliegenden Seite haften.

Eine Reparaturbeschreibung des Verschlusstuches finden Sie neben der Justierung des Messsuchers in der Kategorie „Repair“ von dieser Website. Scans der Negative der FED5 folgen hier in Kürze.

Weitere Testfotos finden Sie bei flickr unter nachfolgendem Link

https://flic.kr/s/aHsmX7E1S4

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