STRG + V + Face – Fotografie und Wahrheit

Fotografie war schon immer ein ambivalentes Medium, welches mit dem scheinbaren Anspruch von Wahrheit spielt, damit aber wenig zu tun hat. Denn diese Wahrheit, nennen wir es vielleicht besser Objektivität, gab es in der Fotografie noch nie. Während aber die Gestaltungsmittel des Fotografen bei Aufnahme, Komposition und Postproduktion früher noch überschaubar oder durchschaubar waren, stehen heute ganz andere digitale und intelligenten Werkzeuge und Mittel zur Verfügung. Die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten erfahren damit eine enorme Erweiterung. Manchmal greifen diese Werkzeuge aber auch unentdeckt vom Creator ein. Dies geschieht beispielsweise softwarebasiert in der Kamera oder durch die Erkennung von bestimmten Objektiven und Änderung der Parameter. Auch geht es weniger um die generelle, ethische oder philosophische Grundfrage um Bildmanipulation an sich. Diese ist, egal ob nun analog oder digital, so alt wie die Fotografie selbst und deren Missbrauch ebenso. Das gezeigte Realität komplett durch Simulation und Animation visuell ersetzt werden kann, zeigt uns heute nicht nur Hollywood. Die Technik dahinter wird dabei immer niederschwelliger und kostengünstiger. Zeitaufwendige Berechnungen und Rendern übernimmt nicht unbedingt der heimische PC, sondern Renderfarmen und Server irgendwo.

So versprechen uns Apps ungeahnte Detail in alten Fotos. Die Versuchung ist groß alten Erinnerungen im Nachhinein entsprechende Qualität und Details einzuhauchen. Dabei handelt es sich allerdings nicht nur um eine standardisierte Bildbearbeitung. Denn wo keine Bildinformation vorhanden ist, wird diese Bildinformation anderweitig durch Vergleichsmaterial gewonnen und im Bild ersetzt. Was wir dann sehen, ist keine Fotografie oder Video, sondern eine computergestützte Simulation von Realität. Statt in mein eigenes Portrait aus Kindertagen schaue ich daher in fremde Augen. Die hier verwendete KI konzentriert sich auf Gesichter, während der Rest der Fotografie recht schonend behandelt wird um die Simulation nicht zu übertreiben.

Auch wenn sich dieser Blog auf Fotografie konzentriert. Die nächste Stufe findet man im Bewegtbild unter dem Begriff „DeepFake“. Dabei handelt es sich dann um Videos, bei denen nicht optimiert, sondern Gesichter ersetzt werden. Entwickelt wurden die hierfür notwendigen Algorithmen an der Uni Erlangen. Heute kann sich jeder ähnlicher „Software“ bedienen, um damit einen Encoder und Decoder einer KI zu trainieren. Bekannte Beispiele für DeepFakes sind Jordan Peele als Barack Obama, Tom Cruise in verstörenden TikTok Videos oder die etwas irritierende Weihnachtsansprache der Queen. Ermöglicht wird dies durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Diese verschiebt eine ohnehin schon dünne Grenze, in der es schon lange nicht mehr nur um die Bearbeitung eines vorhandenen Ausgangsmaterials geht. Wo sich eine App möglichst vieler fremder Fotos nur partiell bedient, benötigt DeepFake möglichst viele Vergleichsfotos. Durch ständige Berechnungsschleifen erschafft KI in Deeplearning aus Einzelbildern und Videos eine Simulation. Bereits hier gibt es eine Nachfolgetechnik, die sogenannte „Real-Time Face Reenactment“. Denn hier wird kein Video nachträglich bearbeitet, sondern ein Gesicht bereits in Echtzeit ersetzt. Es geht sicher nicht mehr um die Frage, ob neue Technologien eingesetzt werden sollten oder dürfen. Sondern darum, dass kritisches hinterfragen und prüfen sicherlich noch viel mehr zu Kern- und Medienkompetenzen im Zeitalter der Digitalisierung werden und es eine entsprechend verbindliche Kennzeichnungspflicht geben müsste. Während viele Manipulationen aufgrund bestimmter Artefakte noch als solche zu erkennen sind, wird sich die Technik immer weiter perfektionieren und hauptsächlich von Größen wie Rechenleistung und Vergleichsmaterial beschränkt werden. Letztlich wird es auf einen Wettlauf herauslaufen zwischen den KI‘s, welche Simulationen schaffen und jene welche Simulationen entlarven und filtern.

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