Super Ikonta 531/2 – „Alter Falter“

„Das ist aber ein alter Falter“ hallt es mir aus einer Mischung von Neugier und der Spur von etwas Belustigung entgegen. Die wohl nicht ganz ernstgemeinte Frage von dem Passanten, was für eine Auflösung „diese“ im Gegensatz zu seiner „Spiegellosen“ hat, beantworte ich knapp und wortkarg mit „etwa 100 MegaPixel, vielleicht auch etwas mehr“.

Das ist gar nicht schlecht geschätzt, wenn man sich mit dem Auflösungsvermögen von Filmen beschäftigt. Aber auch hier spielen Faktoren wie Auflösungsvermögen des Objektivs, Planlage des Filmes oder „Sensorgröße“, nein Negativgröße, und weiteren Faktoren eine Rolle. Das Format 6×9 hat eine eine effektive Größe von 56 x 85 mm und ist mit einer Fläche von 47,6 cm2 fast 8x so groß wie ein Vollformatsensor. Damit handelt es sich um eine ausgewachsene Mittelformatkamera. Zusammengeklappt faltet sich sich die Kamera zum kompakt zum Taschenformat zusammen, dies allerdings nur in der Größe und nicht im Gewicht von über 800 Gramm.

Musik von Ronald Kah, Web: https://ronaldkah.de/

Ebenso wie die „Spiegellose“ des Passanten, handelt es sich bei meiner Kombination aus verchromten Metall, Glas und Leder um eine Spitzenkamera ihrer Zeit. Die Rede ist von der Super Ikonta 531/2 aus dem Hause Zeiss Ikon, welche ab 1936 vorgestellt wurde. Unter den alten Faltern zählen die Super Ikontas zu den interessanten Modellen. Als Nachfolger der Super Ikonta 530/2 hat die neue 531/2 einen Auslöser am Gehäuse und eine Doppelbelichtungssperre. Bei den Ikontas und Super Ikontas handelt es sich um eine Kameraserie, die in verschiedenen Formaten 6×4,5, 6×6, 6×9 bis zum Format 6,5×11, später auch im Kleinbild angeboten wurde. Was die Super Ikontas von ihrer kleinen Schwestern den Ikontas unterscheidet – es handelt sich hier um gekoppelte Messsucherkameras im Mittelformat, während die Ikontas „nur“ einfache Sucherkameras waren. Die Entfernung wird daher nicht geschätzt, sondern sehr präzise über das Mischbild eingestellt. Der Preis dieser Super-Ikonta 531 / 2 dieser Ausstattung lag bei etwa 168 Reichsmark. Mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 1800 Reichsmark kostete die Kamera damit einen vollen Monatslohn. Die Super Ikontas der Nachkriegszeit kosteten 1948 bis 1954 etwa 400 DM.

Die Seriennummer ist im Gegensatz zu den Nachkriegsmodellen nicht seitlich eingeprägt, sondern oben an der Rückwand auf der Höhe des Albada-Suchers angebracht. Das „D“ verrät mir das Herstellungsjahr 1937. Das passt zur Seriennummer des Tessars, welches ebenfalls von 1937 stammt. Bei der vorgestellten Kamera handelt es sich um die Luxusausführung mit dem lichtstärkeren Tessar statt dem dreilinsigem Novar. Bei dem eigentlich als „Adlerauge“ bekanntem Objektiv wird teils von einer „wolkigen“ Schärfe berichtet, während nach anderen Meinungen die Schärfe wiederum positiv erwähnt wird. Neben den vielen bereits genannten Einflussfaktoren wie unter anderem Planlage, Sweet-Spot, Justierung des Messsuchers oder Blende, muss man auch bedenken, dass es bei der Super Ikonta Tessare unterschiedlicher Lichtstärke gab. Dazu vergütete und unvergütete, Tessare von Zeiss Jena und Zeiss Opton und nicht zu vergessen das Alter den Kameras in unterschiedlichem optischen und technischen Erhaltungszustand.

Die hier gezeigte Super Ikonta 531/2 hat ein unvergütetes Vorkriegszeit Zeiss Jena Tessar 105 f3.5 mit einer Naheinstellgrenze von 1,5 Metern. Der schnellere Compur-Rapid-Zentralverschluss löst mit seiner Zusatzfeder mit bis zu 1/400, statt nur 1/250, aus. Klingt nach heutigen Maßstäben nicht viel, da ich aber keine Hochgeschwindigkeitsrennen mit der Super Ikonta aufnehme, reicht das auch nach heutigen Maßstäben. Auf einen 120er Rollfilm passen aufgrund des großen Mittelformates lediglich 8 Aufnahmen, wenn ich die meist verlorengegangene 6×4,5 Reduziermaske verwende, bis zu 16.

Die Maske wird dabei lediglich in die Rückseite eingelegt und ging entsprechend bei vielen Exemplaren verloren.

Damit handelt es sich um eine klassische Zweiformatkamera mit zwei verschließbaren Fenstern auf die Marker des Rollfilms auf der Rückseite. Das linke Sichtfenster ist für das Format 6×4,5, das rechte für 6×9.

Ein Tastendruck reicht, damit sich der Albada Sportsucher aufrichtet und die Front der Kamera sich öffnet.

Um die Kamera einsatzbereit zu machen, muss der Arm des Dreikeilentfernungsmessers ausgeklappt werden. Filmtransport und Auslöser liegen auf der linken Seite.

Gespannt wird direkt am Zentralverschluss. Zum fokussieren muss über das Fokusierrad das Mischbild deckungsgleich gebracht werden. Das Framen der Aufnahme erfolgt am besten über den Albada-Sucher, der die beiden Formate 6×9 und 6×4,5 anzeigt. Was auffällt ist, dass die Bedienelemente nicht an den gewohnten Positionen wie an heutigen Kameras liegen. Das mach das Handling anfangs ungewohnter und komplexer wie bei der einfacheren Ikonta oder anderen Faltern. Das die Kamera bis heute einwandfrei, auch bei den langen Verschlusszeiten, funktioniert spricht insgesamt für die Verarbeitungsqualität, wie auch den pfleglichen Gebrauch durch den oder die Vorbesitzer. Ein Besitzer hat der Super Ikonta noch neue Lichtdichtungen spendiert.

Nur ein Detail, welches mich aber an die spätere Werra erinnert. Auch bei der Super Ikonta findet man zur besseren Planlage solche Filmspreizrippen. Die Aufgabe dürfte auch hier sein den Film auseinanderzuziehen und damit eine bessere Planlage zu erreichen. Bei der Werra ist die Empfehlung den Film erst kurz vor der Aufnahme zu transportieren, da dieser Effekt sonst wieder abnimmt.

Die Super Ikonta ist vor allem für Aufsteckfilter wie diesem Gelbfilter Zeiss Ikon A 37 geeignet. Mit diesem lässt sich die Kamera schließen.

Als ein Spitzenprodukt der deutschen Kameraindustrie ist die Super Ikonta auch in der Nachkriegszeit gefragt und deshalb für die Siegermächte von Ost und West gleichermaßen interessant. Nach der Trennung von Zeiss Ikon werden die Super-Ikontas in einer Zweigstelle, dem unzerstörten Kamerawerk Contessa-Nettel, hergestellt. Dieses wurde ursprünglich von Dr. Nagel gegründet, aber das ist eine ganz andere interessante Geschichte bis hin zur Kodak Retina. Im Osten entwickelte Zeiss Ikon Dresden die Super Ikonta zur Ercona und Exona weiter. Als Reparationsleistung gelangen Maschinen, Material, Konstruktionspläne und auch Personal an die Siegermächte. Aus dem Hause KMZ in Krasnogorsk taucht daher die Kamera teils noch mit Originalteilen als Modellreihe der Moskva, oder MOCKBA, auf. Das KMZ vereinfachte die Modellvielfalt der Super Ikonta auf das Format 6×9. Interessant sind dabei vor allem die Modelle Moskva-1, -2 und -4. Die Moskva-5 hat bereits wie die DDR-Variante eine moderne Gestaltung der Kappe. Wie die Super Ikontas haben die Kameras eine einlegbare Reduziermaske, allerdings für das Format 6×6. In den Nachkriegsjahren sind die Zeiten der alten Falter immer mehr gezählt. Anstatt Kontaktabzüge im Originalformat sind nun Vergrößerungen vom kleinen Format gefragt. So endet 1953 die Produktion der 531/2 und anderen Modellen der Super-Ikonta-Reihe. 1960 wird auch die Produktion der KMZ Moskva-5 eingestellt.

Was die Eingangsfrage des Passanten anbelangt, ober der „alte Falter“ noch gute Bilder machen kann.. dies übrigens bei sehr bedecktem Himmel und offenen Blenden jenseits dem Sweet Spot ab Blende 8….

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