Contax-Story I – Teil 1

Leitz stellt 1925 auf der Frühjahrsmesse in Leipzig ihre „Leica“ für den perforierten Kleinbildfilm vor und stößt damit die Tür zur Kleinbildfotografie auf. Oskar Barnack, der kurz für Zeiss, dann bekanntermaßen für Ernst Leitz tätig war, wollte mit seinem kleinen Gerät ursprünglich die richtige Belichtung des Kinofilms zu testen. Das kleinere Filmformat brachte neben der neuen Kompaktheit und Leichtigkeit der Fotografie aber auch neue Anforderungen an Kamera, Optiken und Filmemulsionen mit. Im Gegensatz zum Planfilm der Balgenkameras, von denen in der Regel Kontaktabzüge erstellt wurden, musste das Kleinbildformat vergrößerungsfähig sein. Die Aufmerksamkeit der Leica war für alle Beteiligten in der Kameraindustrie früher oder später Anlass genug, eigene Kleinbildkameras zu entwickeln. Die großen namhaften Kamerafirmen hatten bereits in Zeiten der Wirtschaftskrise zu einem Megakonzern fusioniert. In dieser fanden unter Carl Zeiss die ICA, Goerz, Contessa-Nettel und Ernemann zur neu gegründeten Zeiss Ikon AG zusammen. Bei der Contax (I), umgangssprachlich auch „Leica-Killer“ genannt, ging es der Zeiss Ikon AG nicht lediglich darum eine Kopie der Leica zu konstruieren, sondern um einen fortschrittlichen Gegenentwurf zur Leica. Daher teilt sich die Contax mit der Leica fast nur perforierten 35mm Kleinbildfilm.

Der Name „Contax“ soll aus einem Preisausschreiben unter den Mitarbeitern stammen. Allerdings stellte auch schon Contessa-Nettel, die Werke von Dr. Nagel Stuttgart die zur Zeiss Ikon AG fusioniert sind, ein Produkt unter derselben Bezeichnung her. Dabei handelt es sich um den Contax Fahrtrichtenanzeiger, einem Vorgänger des Blinker. Auf einem schwarzen Metallgehäuse war ein roter Pfeil angebracht, welcher mittels des dargestellten Hebels am Armaturenbrett gedreht werden konnte.

Die Entwicklung der Contax wird heute maßgeblich dem Chefdesigner Heinz Küppenbender zugeschrieben. Im Life Magazine von 1943 wird aber ein anderer Wissenschaftler als Vater der Contax genannt. Von Dr. Emanuel Goldberg, dem damaligen Generaldirektor der Zeiss Ikon AG und Leiter der Photoabteilung ist hierzu meist kaum oder nur vages zu hören. Goldberg, Wissenschaftler, Chemiker und Ingenieur mit russisch-jüdischen Wurzeln, hatte weder eine Zukunft in seiner Heimat, noch im nationalsozialistischen Deutschland. Nach der Entführung des Generaldirektors 1933 durch die SA wird er unter massiver Bedrohung zur Niederlegung seiner Ämter gezwungen. Er verhandelt und bereitet seine sichere Ausreise für sich und seine Familie vor. 1937 wird er für immer nach Palästina zu emigrieren und Europa den Rücken kehren. Er gilt heute als ein wegweisender, aber seiner Leistungen vergessener und übergangener Wissenschafter, zwischen Mikrodot, Kinamo, Mikrofilm, Graukeil und seiner „Wissensmaschine“ mit den Grundlagen zur modernen Datenverarbeitung, Informationsverwaltung und damit der ersten Suchmaschine.

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Im Nationalsozialismus übernimmt Heinz Küppenbender die Aufgaben von Dr. Emanuel Goldberg und damit auch die Leitung der Fotoabteilung. Nach seiner Entnazifizierung geht er nach Westdeutschland, um dort Zeiss Ikon West zu leiten. Bis zu seinem Tot durch einen Reitunfall lobt und reklamiert er seine eigenen Verdienste bei der Entwicklung der Contax, während die Rolle von Dr. Emanuel Goldberg immer weiter „verschwindet“. Was man aus den wenigen Quellen herausliest ist, dass das Verhältnis zwischen den beiden Männern wohl „angespannt“ war. Der Erfolg der Leica, zu welcher der Megakonzern Zeiss Ikon mit einer eigenen Antwort reagieren musste, dürfte jedenfalls auf oberster Managementebene getroffen worden sein. Die Contax war damit sicher kein Alleingang eines einzelnen Mannes, sondern das Ergebnis von einem ganzen Entwicklungsteam.

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1932 kommt die Zeiss Ikon Contax (I) als Konkurrenz zur Leica auf den Markt. Mit dem Ziel vieles besser und anders zu machen, auch im Hinblick auf patentrechtliche Fragen, kann diese vor allem auch durch die hierfür geschaffene Objektivpalette des Mutterkonzerns Carl Zeiss Jena überzeugen. Die Objektive dieser Zeit sind noch unvergütet und entsprechend nicht ganz so kontrastreich und auch empfindlich gegen Streulicht. Eine Sonnenblende und Gelbfilter sind somit bei meinem versenkbaren Tessar 50mm f3.5 eine gute Idee.

Das robuste Gehäuse ist nicht aus Blech, sondern aus gegossenem Silumin. Dabei handelt es sich um eine Leichtmetalllegierung bestehend aus Aluminium und Silizium. Statt einem vertikalen Tuchverschluss, wird ein horizontal ablaufender Metallverschluss aus geschwärztem Metalllamellen verbaut, der heute mehr an einen „Rolladen“ oder ein „Rolltor“ erinnert.

Durch die kürzeren Wege können Verschlusszeiten von 1/1000 im Gegensatz zur Leica realisiert werden. Belastungen an den Verschluss, welchem aber vor allem die Bänder aus echter Seide nicht immer gewachsen ist.

Die Kamera ist im Gegensatz zur Leica kein Bodenlader. Durch die abnehmbare Rückwand kann die Contax damit wesentlich komfortabler geladen werden.

Statt einem M39 Schraubgewinde wie bei der Schraubleica hat die Contax von Beginn an ein echtes Innen- und Außenbajonett.

Neben Objektiven wird auch Zubehör, wie die Teleskopsonnenblende, aufs Außenbajonett gesetzt.

Wie auch die Schraubleicas hat die erste Contax noch einen „Zwillingseinblick“. Damit ist der zweigeteilte Sucher gemeint, einmal für den Bildausschnitt und einmal für den gekoppelten Entfernungsmesser. Die Contax II / III wird später die erste echte Meßsucherkamera mit einem einzelnen Fenster werden.

Je nach Brennweite des Objektivs kann eine Suchermaske vor das Sucherfenster geschoben werden oder aus dem breiten Angebot an Aufsteck- und Albada-Sucher gewählt werden.

Die Ergonomie der eckigen Kamera ist heute etwas ungewohnt. Wahlrad für die Verschlusszeiten und Aufzug vom Verschluss befinden sich nicht auf rechten Kameraschulter, sondern auf der Vorderseite. Der Grund liegt einfach darin, das gewisse Standards in der Anordnung der Bedienelemente zu jener Zeit noch nicht festgelegt waren. So befindet sich beispielsweise auch der Auslöser bei mancher Zeiss Ikon Super Ikonta noch auf der „falschen“ Seite.

Ebenso etwas gewöhnungsbedürftig ist der sogenannte „Contax-Griff“, also die Haltung der Kamera um mit dem Fokusrad zu fokussieren. Die Kamera muss dabei richtig gehalten werden, da ansonsten das Mischbild verschwindet, weil die Finger das entsprechende Fenster vom Entfernungsmesser sonst verdecken.

Das es sich hier um ein frühes Modell der Contax I handelt, genauer gesagt die Version 3, fehlt diesem Modell noch der typische Standfuß beim Stativgewinde.

Die Kamera hat keine fest eingebaute Aufnahmespule. Der Grund liegt darin, dass entsprechende Contax-Kassetten verwendet werden konnten die auch nicht mühsam händisch zurückgespult werden mussten. Verwendet man doch eine normale Kleinbildpatrone, benötigt man die passende Contax Aufwickelspule. Statt diese teuer zu kaufen, kann natürlich auch eine leere Kleinbildpatrone „entkernt“ und angepasst werden.

Warum sich die Contax als „Leica-Killer“ nicht durchsetzte hängt mit vielen Faktoren zusammen und dem Fortgang der Zeiss-Ikon AG im Nationalsozialismus und deren Teilung in der Nachkriegszeit. Nach dem Neubeginn der westdeutschen Contax IIA und IIIA waren Meßsucherkameras bald nicht mehr „en vogue“ und die Konkurrenz aus Fernost verdrängte mehr und mehr die ganze deutsche Kameraindustrie. Ein großes Problem der ersten Contax war, dass diese in der laufenden Produktion ständig verbessert wurde, was sicherlich eher für Verunsicherung statt Vertrauen bei den Käufern sorgte. Hans-Juergen Kuc klassifiziert in seinem hervorragendem Buch „Auf den Spuren der Contax – Contax-Geschichte von 1932 bis 1945“ sieben unterschiedliche Versionen der Contax I.

Die Contax I ist daher legendär, wie auch etwas berüchtigt. Immerhin handelt es sich um eine komplexe Kamera, die aus etwa 500 Einzelteilen besteht. Es hält sich daher, ob berechtigt oder unberechtigt, der Mythos, dass die Kamera anfälliger und kaum zu reparieren sei. Immer wieder im Blick sind die speziell gewobenen seidenen Bänder, die an der unteren Walze und dem Lamellenverschluss angenäht werden. Gerade diese sind heute nach Jahrzehnten und nicht idealer Lagerung den Verschlusszeiten von 1/1000 nicht mehr gewachsen. Aber auch früher mussten die Kameras immer wieder beim Hersteller repariert werden. Diese Exemplare sind daran zu erkennen, dass diesen ein weiterer Buchstabe in der Seriennummer hinzugefügt wurde. Eine Kamera nicht „am seidenen Faden“, aber doch am „seidenen Band“. Da meine Contax I noch wunderbar funktioniert, bin ich nicht sonderlich daran interessiert die Bänder bald auszutauschen. Werkstätten die Contax reparieren gibt es wenige oder gar nicht. Empfehlenswert ist es daher, sich vorsorglich selber mit Bändern auszustatten… Vielen Dank für die seidenen Bänder nach Konstanz!

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