Diaphot – magisches Amulett?

Ein analoger Fotograf holt aus einem Ledertäschchen ein schwarzes Amulett mit silbern glänzendem Rand in der Größe einer Taschenuhr hervor. Wenn sich auf dem Ding auch noch ein Pentagramm befindet… keine Sorge… es ist ein Diaphot aus den 1920ern. Beim Diaphot handelt es sich um einen optischen Belichtungsmesser der auf dem Prinzip eines Graukeils beruht. Der Diaphot stammt aus der Produktpalette der ICA AG und wurde nach der Fusion zur Zeiss Ikon AG in der Produktpalette beibehalten. Der „ICA-Stern“, also doch kein Pentagramm, stammt noch aus den Zeiten des Kameraherstellers Hüttig und wurde nach Fusion zur ICA, der „Internationale Camera Aktiengesellschaft“ von dieser übernommen. Das Stern war Zeichen und Schutzmarke für die Echtheit der Produkte. Richard Hüttig war gelernter Tischler und kopierte zunächst in Berlin französische und englische Kameramodelle. In Dresden gründete er 1887 sein eigenes Werk, dass mit eigenen Kameramodellen schnell expandierte und mit 800 Mitarbeitern zum größten Kamerahersteller Europas wurde. Obwohl die Produkte von Hüttig auch auf der Pariser Weltausstellung gezeigt wurden, starb der Gründer selbst in Armut. 1909 fusionierten die Hüttig AG, die Emil Wünsche AG, die Carl Zeiss Palmos AG und dem Dr. Krügener Kamerawerk zur ICA AG, der „Hüttig-Stern“ blieb. Wen oder was auch immer die Person des „Fotografen“ darstellen soll, etwas leicht „dämonisches“ hat die Werbeanzeige dann doch.

Werbeanzeige von „Fabrik photographische Apparate auf Aktien“ in welche „R. Hüttig & Sohn“ umformiert wurde.

Der Diaphot besteht aus einer Kobaltblauscheibe im Sucher und einem ringförmig gegossenen Goldberg-Keil im Innern. Beim Goldberg-Keil handelte es sich um einen neutralen Graukeil aus Gelatine unter der Zugabe von Silber. Graukeile wurden zuvor aus Glas mit lichtblockierenden Substanzen hergestellt. Diese waren an der dicken Stelle dann eben lichtundurchlässiger und umgekehrt. Diese waren aber nicht ganz neutral, teuer, nicht beliebig dünn und zerbrechlich. „Neutral“ meint, dass die lichtblockierende Einfärbung nicht bestimmte Wellenlängen des Lichts herausfiltert. Mit dem Diaphot wurden die Goldberg-Keile zu einem Massenprodukt.

Um den Diaphot zu nutzen blickt man durch den Sucher mit einer Kobaltblauscheibe.

Durch drehen bewegt man den ringförmigen Graukeil. Dieser wird so lange gedreht, bis das Motiv laut der Beschreibung einer „Landschaft im Mondlicht“ gleicht.

Mich selber erinnert der Blick durch ein Periskop von einem U-Boot im Nachtsichtmodus, es fehlt lediglich der passende Soundtrack von Klaus Doldinger.

Daraufhin können die verschiedenen Kombinationen von Verschlusszeit und Blende auf einer Skala abgelesen werden.

Die Filmempfindlichkeit kann nicht eingestellt werden und die Frage ist worauf die angegebenen Blenden-Zeit-Angaben beruhen. Diese beruhen auf damalige „normalempfindliche“ Platten mit einer Empfindlichkeit von 14-17 Scheinergrad. Bei niedrigempfindlichen Platten wurde die gemessene Belichtungszeit verdoppelt, bei hochempfindlich Platten halbiert. Auch die Entfernung spielt eine Rolle. So soll bei Entfernungen von 4-8 Metern die Belichtungszeit verdoppelt, bei geringere Abstand verdreifacht werden. Aber was entspricht 14-17 Scheinergrad? Nach alter DIN-Norm wird der Scheinergrad um 10 substrahiert. 16 Scheinergrad entsprechen dann etwa 6° DIN. Nach neuer DIN-Norm muss dem Scheinergrad eine weitere Blendenstufe, also 3 Grad, hinzuaddiert werden. 16+3 Scheingrad entspricht dann 9° DIN und damit einem Wert von ISO 6. Der Diaphot wurde etwa von 1921 bis 1930 gebaut. Neben kleinen optischen Veränderungen ist das kleine Gerät weitgehend gleich geblieben. Mal trägt es den Schriftzug von ICA, ICONTA oder der Zeiss Ikon AG4, welches manchmal geprägt oder graviert ist. Die wichtigsten Anpassungen sind die jeweiligen Blenden-Zeit-Kombinationen. Es gab in Zeiten der Preelektronik eine ganze Reihe optischer Belichtungsmesser.

Ein optischer Belichtungsmesser der nach einem ähnlichen Prinzip arbeitete ist Heyde´s Aktino Photometer“ mit einem blauen Glaskeil im Innern. Hier wurde sozusagen der neutrale Graukeil und die Blaufärbung in einem Bauteil miteinander kombiniert. Sollten Sie daher jemand begegnen, der sich ein solches „Amulett“ vors Auge hält, dann herumdreht und nachdenklich murmelt, die Person misst lediglich Helligkeit und rechnet gerade die Blenden-Zeit-Kombinationen um.

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