Kodak Retina 118 auf dem Mount Everest

Oktober 2023. 70 Jahre sind seit der offizielle Erstbesteigung des Mount Everest vergangen. Mit dabei ein kleines Produkt „made in Stuttgart“. Die Kokak Retina Modell 118 aus den ehemaligen Kamerawerken von Dr. August Nagel. Die Erstbesteigung des Mount Everest war ein historisches Ereignis von großer Bedeutung, an welchem vorangegangene Expeditionen gescheitert sind und auch viele Bergsteiger es noch heute tun. Am 29. Mai 1953 erreicht Edmund Hillary aus Neuseeland und Tenzing Norgay erstmals den Gipfel des höchsten Berges der Welt – pünktlich zur Krönung von Queen Elisabeth II.

Illustration made with Midjourney. Prompt Engineering by Rainer Leyk

Hillary und Tenzing waren dabei eigentlich nur das Team „zweiter Wahl“. Nachdem die eigentlich auserkorenen Bergsteiger Tom Bourdillon und Charles Evans erschöpft aufgeben mussten, bekommt Hillary und sein Sherpa die Chance zum Gipfelsturm. Tenzing Norgay war ein nepalesischer Bergführer und Hillary ein Bienenzüchter aus Neuseeland. Den Ritterschlag durch die Queen und die darauf folgende internationale Aufmerksamkeit um seine Person sind „Sir Ed“ eher unangenehm. Gerade die „Sherpas“ hatten keinen guten sozialen Status, geschweige das Ansehen eines lebenswichtigen Teamkollegen. Hillary der sich für seinen Sherpa Tenzing und auch deren Rechte stark gemacht hat, bestand zeitlebens darauf, in einem Atemzug mit Tenzing genannt zu werden. Die Sherpas stammten aus den bergigen Regionen Nepals und Tibets und hatten im Laufe der Jahrhunderte Fähigkeiten entwickelt, die sie zu erstklassigen Bergführern und Trägern machten. Ihre Kenntnisse des Geländes, ihre Fähigkeit, sich an die extremen Höhenlagen anzupassen, und ihre Erfahrung im Bergsteigen waren von unschätzbarem Wert für Expeditionen. Dennoch waren die Sherpas in der damaligen Zeit oft unterbezahlt und unterprivilegiert. Sie trugen schwere Lasten, errichteten Hochlager, legten Routen fest und gingen oft größere Risiken ein als die westlichen Expeditionsteilnehmer. Obwohl sie einen Großteil der harten Arbeit und der Gefahren auf sich nahmen, wurden deren Leistungen zum Erfolg oft nicht angemessen anerkannt. Lediglich auf die Anweisungen zu hören oder Befehle zu befolgen konnte schnell zu einer tödlichen Fehlentscheidung werden.

Illustration made with Midjourney. Prompt Engineering by Rainer Leyk

Der Mount Everest, mit einer Höhe von 8.848 Metern über dem Meeresspiegel, ist der höchste Berg der Welt und befindet sich im Himalaya-Gebirge an der Grenze zwischen Nepal und Tibet. Die Faszination und Herausforderung, diesen Berg zu bezwingen, reicht weit zurück. Schon im 19. Jahrhundert begannen britische Vermessungsexpeditionen und Erkundungen der Region, um den Gipfel des Everest zu erreichen. Die eigentliche Expedition, die zur Erstbesteigung führen sollte, begann im März 1953 unter der Leitung von Colonel John Hunt.

Mit dabei um dieses historische Ereignis fotografisch zu dokumentieren eine Vorkriegs Kodak Retina 118, welche sich auch im Museum Dunedin befindet. Hillary hatte keinen Kamerasponsor und so handelte es sich um eine Kamera die er gebraucht erworben hatte. Ein Sponsor hätte ihm sicherlich ein aktuelles Spitzenmodell mitgegeben, so war es eine Sucherkamera aus dem Jahre 1935-36. Damit handelt es sich um das zweite Modell der Kodak Retina. Sie ist mit der 117 weitgehend identisch, besitzt aber im Gegensatz zu dieser einen Hebel für das Zählwerk auf der Rückseite. Die Kameras sind äußerst robust, zuverlässig und vor allem leicht und sehr kompakt.

Das berühmte Foto der Erstbesteigung zeigt gar nicht den Neuseeländer, sondern seinen Kollegen Tenzing. Es sei keine Zeit gewesen Tenzing die Bedienung der Kamera zu erklären. Wäre ein Foto von Hillary entstanden, wäre das Foto vom Sherpa wohl eher ein „Beiwerk“ geblieben. Die zeitgenössische Werbung „Kodak Retina – auf dem höchsten Gipfel der Welt“ zeigt aber das damals aktuelle Version der Kodak Retina IIa, eine Meßsucherkamera und nicht die damit eigentlich legendäre Sucherkamera 118er.

Zeitgenössische Werbung der Kodak A.G. Stuttgart-Wangen im Besitz von altglasfieber

Heute ist es um den Mount Everest gar nicht gut bestellt. Inzwischen haben etwa 10.000 Bergsteiger den Berg erklommen, dabei aber auch mehrere hundert ihr Leben gelassen. Die Natur leidet am Müll der Bergtouristen und auch die Auswirkungen des Klimawandels machen vor dem Himalaya nicht halt. Hillary kritisierte den Egoismus und Kommerzialisierung im Bergtourismus und die teils fehlende Rücksichtnahme bis hin zur unterlassenen Hilfeleistung. Bereits 1924 waren die Briten Mallory und Irvine in Gipfelnähe beim Aufstieg oder Abstieg von der Nordwand verschollen. Haben Sie es bereits 1924 geschafft und sind dann verunglückt? Irvine hatte eine Kodak Vest Poket, die „Soldatenkamera“, im Gepäck und potentielle Fotos, die tatsächlich aufgrund der dünnen Luft und niedrigen Temperaturen noch entwickelt werden könnten um entsprechende Beweise zu liefern. Die sterblichen Überreste von Mallory wurde 1999 gefunden, Irvine und seine Kamera bleibt wie andere auch bis heute verschollen. Tatsächlich geht die Suche nach Irvine und auch nach seiner Kamera weiter. Diese umgibt sogar eine Verschwörungstheorie. China habe in den 70ern Irvine samt seiner Kamera heimlich geborgen und nicht veröffentlicht, womit die Erstbesteigung von der Nordwand aus, dem chinesischen Team 1960 mit Wang Fu-zhou, Konbu und Qu Yin-hua gelungen wäre. Eine geführte Besteigung, dicht an dicht gedrängt und mit Stau, kann derzeit zwischen 40.000 bis 100.000 Dollar kosten. Gerne können Sie meinen kleinen Blog unterstützen, ich würde dies allerdings dann doch lieber in einen Kleinbildfilm investieren, statt eine Besteigung anzusparen. Was ich aber diesen Winter tatsächlich testen werde, ist es die Kodak Retina 118 bei entsprechenden Minusgraden im Winter draußen einzusetzen. Statt dem Mount Everest kann ich immerhin den höchsten Berg ein paar Kilometer weiter ins Auge fassen. Der Bussen, Wallfahrtsort und „Heiliger Berg Oberschwabens“, eine Erhebung zwischen der Donau und dem Bodensee mit einer Höhe von 767 Metern.

6 Replies to “Kodak Retina 118 auf dem Mount Everest”

  1. Hallo Rainer
    Gerne will ich Dein Sherpa auf unseren „Hausberg“ sein.
    Wieder mal ein schöner Artikel
    geworden. Die Vorkriegs-Retinas sind feine Gerätle!

  2. Hallo Rainer, vielen Dank für diesen tollen Bericht. Hat mich inspiriert den Bildband
    Die Eroberung des Mount Everest mit Originalfotografien der legendären Erstbesteigung von George Lowe und Huw Lewis – Jones
    zu kaufen. Den Bildband von 2013 gibt es leider nur noch antiquarisch. Die meisten Fotos darin würden von George Lowe mit seiner verläßlichen Kodak Retina II Typ142 gemacht. Er fotografierte mit Kodachrome Diapositiv Film. Seine Einstellung, UV Filter Blende und 1/100 sec. Nachts bei minus 40 Grad kam die Kamera mit in den Schlafsack. Ansonsten steckte sie schußbereit in seiner Daunenjacke. George Löwe war ein Freund von Hillary und ebenfalls aus Neuseeland. Er war maßgeblich daran beteiligt, daß Hillary und Tenzing den Gipfel erreicht haben.
    Neben der 118 von Hillary waren noch zwei Retina II, eine Retinette, eine Contax II (Hunt) , eine Rolleiflex und eine Leica bei der Expedition dabei. Die Times hatte sogar eine Zeiss Super Ikonta zur Verfügung gestellt. Sie hatten die Sorge, daß die 35mm Kameras keine ausreichende Qualität liefern würden. Dies Sorge war unbegründet. Die Bilder wurden hervorragend. Die Ikonta streikte aber bei den tiefen Temperaturen oberhalb des Basislagers. Der Balgen – mechanismus…..
    Über die Retina II am Everest gäbe es einen schönen Bericht bei Klassik-Lust, aber die Seite ist nicht mehr im Internet. Ev über Facebook noch.

    1. Hallo Friedrich! Danke für die Info um die Retina II, werde gleich mal nachrecherchieren ob ich den Bericht von Klassik-Lust finde. Gruß Rainer

  3. Schöner Bericht, Rainer. Dass die Wahl auf die Retina 118 fiel, hatte bestimmt mit dem geringen Gewicht und der Einfachheit der Bedienung zu tun. Die Contax II war schon deutlich schwieriger zu bedienen und an einen Filmwechsel bei einer Schraubleica mit Handschuhen mag ich gar nicht denken. Der Rolleiflex fehlte die Kompaktheit.

    1. …die Erstbesteiger waren zudem das „Team zweiter Wahl“ und die 118er damals schon das ältere Modell – die hat aber aufgrund ihrer Zuverlässigkeit einfach funktioniert 🙂

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