Nitrofilm – explosiv wie Sprengstoff?

Im Film von Quentin Tarantino „Inglourious Basterds“ wird die Brennbarkeit von Nitrofilm zur Waffe gemacht. Der Film spielt im Jahre 1944 im von den Nazis besetzten Paris. Untergetaucht und unter falscher Identität betreibt die Jüdin Shosanna Dreyfus ein Kino. Der deutsche Kriegsheld Zoller findet Gefallen an der Frau und überredet Joseph Goebbels, dass die Uraufführung eines Propagandafilms im kleinen Kino von Shosannas stattfinden soll. Zeitgleich verfolgt die Spezialeinheit die „Basterds“ Pläne, um den Führer bei der Filmpremiere auszuschalten. Shosanna hat eigene Pläne und möchte das Kino und deren Besucher in einem von Nitrofilmen genährten Flammeninferno untergehen lassen. Im Film spielt nebenbei der kleine Bruder meines Klassenkameraden aus der Grundschulzeit den Soldaten „Herrmann“. Nitrofilm hat nichts mit Nitroglycerin zu tun, welches bereits beim Schütteln explodieren würde. Ungefährlich ist das alte Zelluloid allerdings nicht und fällt unter das Bundessprengstoffgesetz. Demnach gelten bestimmte Anforderungen an die Lagerung, Sicherheitsmaßnahmen und auch Transport. Aufgrund der Brennbarkeit galt bereits in früheren Zeiten ein Transportverbot von Filmen auf Zelluloid. Ob es sich nun wirklich um Nitrofilm handelt, lässt sich nicht immer einfach erkennen. Ein erstes Indiz kann sein, aus welchem Jahr das Filmmaterial stammt. Bei 16 mm und 8 mm Film hatte man bereits in den 1930ern begonnen, „Sicherheitsfilm“ zu verwenden. Beim 35 mm Cineformat wurde Nitrofilm hingegen noch bis in die Mitte der 1950er produziert, in der DDR auch noch etwas länger.

Das Hauptproblem ist vor allem der Zustand des Nitrofilms. Hat dieser bereits gelbliche Ausblühungen oder ist bereits pulverartig zersetzt, befindet sich der Film in einem reaktionsfreudigeren Zustand. Dann kann sich dieser bereits bei etwa 40 Grad selbst entzünden. Nitrofilm verbrennt dabei sehr schnell und vor allem sehr heiß. Das Hauptproblem liegt aber darin, dass dieses Feuer nicht durch Wasser, Schaum oder Sand gelöscht werden kann, da beim Verbrennungsprozess selbst Sauerstoff freigesetzt wird. Dinge also, die man nicht unbedingt und unwissend in einer Kiste auf dem Dachboden der Sommerhitze aussetzen möchte. Bedenkt man, dass ein Kinofilm einem Filmmaterial von etwa 15-20 kg entsprach, handelte es sich doch um eine entsprechende Menge an entflammbaren Material. Kinos der damaligen Zeit mussten daher Sicherheitsvorkehrungen treffen.

Entsprechend kam es aber immer wieder zu Bränden, in denen das brennbare Zelluloid die wesentliche Ursache war oder dazu beitrug. Dazu gehört in der Neuzeit beispielsweise der Nitrobrand im Bundesarchiv im Jahre 1988. Traurige Bekanntheit hat auch der Brand vom „Bazar de la Charité“ 1897 in Paris erlangt. Dabei handelte es sich um eine Wohltätigkeitsveranstaltung der gehobenen Gesellschaft, die in diesem Jahr allerdings in einem provisorischen Gebäude mit brennbaren Materialien stattfand. Dabei kam es wohl beim Befüllen der Projektorflamme mit Ether zum Unfall. Zelluloid soll einen entscheidenden Beitrag zur Katastrophe mit vielen Opfern beigetragen haben. Die Chapelle Notre-Dame de Consolation mahnt bis heute in Paris an das Unglück. Die Netflix-Serie „Der Basar des Schicksals“ nimmt sich dem Ereignis an. Zu einer der prominentesten Opfer gehörte Sophie Charlotte Auguste. Sophie war Prinzessin von Bayern und eine jüngere Schwester von „Sissi“, der Kaiserin Elisabeth von Österreich. Sie war außerdem mit dem Kron- und Märchenprinzen Ludwig von Bayern verlobt. Der als Märchenkönig bekannte Ludwig II ist beispielsweise für den Bau von Schloss Neuschwanstein bekannt, welches jährlich Tausende von Besuchern aus aller Welt anlockt. Um seinen Tod im Starnberger See ranken sich bis heute Fragen und ein paar Ungereimtheiten.

Illustration Rainer Leyk mit Midjourney

Das Altern von Nitrofilmen kann man in fünf Stadien unterscheiden. Dabei macht sich ein immer stärker werdender saurer Geruch der gesundheitsschädlichen und explosiven Gase bemerkbar. Mein Stück befand sich im Stadium 1 und hatte sich bernsteinfarben verfärbt. Im Stadium 2 würde das Trägermaterial dann klebriger werden. Im Stadium 3 wäre das Material weich und würde Blasen aufwerfen. In Phase 4 wäre es eine klebrige Masse, die sich in Stufe 5 zu braunem Pulver zersetzen würde.

Haftungsausschluss: Dieser Artikel behandelt Informationen zur Brennbarkeit von Nitrofilm ausschließlich zu Informationszwecken. Der Autor übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität der bereitgestellten Informationen. Von jeglichen Handlungen oder Experimenten, die auf Grundlage der in diesem Artikel enthaltenen Informationen unternommen werden, wird ausdrücklich abgeraten und erfolgen auf eigenes Risiko. Der Autor rät ausdrücklich davon ab, selbstständig mit Nitrofilm zu experimentieren. Nitrofilm unterliegt gesetzlichen Bestimmungen und muss fachgerecht gelagert, abgegeben und entsorgt werden. Für genaue Anweisungen zur sicheren Handhabung und Entsorgung wird dringend empfohlen, sich an Fachleute oder Experten auf dem Gebiet zu wenden.

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